Amnesty: 2000 Frauen von Boko Haram entführt

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Ein Amnesty-Bericht zeigt die Grausamkeit von Boko Haram in Nigeria. Unicef warnt indes vor einer Massenflucht vor der Terrororganisation.

Die islamistische Terrorgruppe Boko Haram hat in Nigeria nach Angaben von Amnesty International seit dem vergangenen Jahr mehr als 2000 Frauen und Mädchen entführt. Viele von ihnen würden von den sunnitischen Extremisten als Sexsklaven gehalten, zwangsweise verheiratet oder zum bewaffneten Kampf gezwungen, hieß es in einem am Dienstag veröffentlichen Bericht der Menschenrechtsorganisation.

Unicef zufolge sind bereits 800.000 Kinder auf der Flucht vor der Gewalt im Nordosten Nigerias. Die Zahl habe sich innerhalb eines Jahres verdoppelt.

Die Berichte von Amnesty und Unicef kamen genau ein Jahr nach der Entführung von mehr als 200 überwiegend christlichen Schülerinnen aus dem Ort Chibok durch Boko Haram. Sie wurden bisher nicht gefunden. Einer Augenzeugin zufolge wurden die meisten Mädchen gezwungen, zum Islam überzutreten und zwangsverheiratet. Sie habe die Mädchen Ende 2014 in einer Koran-Schule in der nordöstlichen Stadt Gwoza getroffen, sagte Liatu Andrawus der Deutschen Presse-Agentur. Die 23-jährige war nach eigenen Angaben selbst mehrere Monate in der Gewalt der Islamisten und musste einen der sunnitischen Kämpfer heiraten. Später gelang ihr die Flucht.

Interviews mit knapp 200 Augenzeugen

Der drastische Amnesty-Bericht basiert auf Interviews mit knapp 200 Augenzeugen, darunter auch 28 Frauen und Mädchen, die zeitweise in der Gewalt von Boko Haram waren. Die 19-jährige Aisha schilderte darin etwa, wie sie während ihrer dreimonatigen Gefangenschaft immer wieder vergewaltigt wurde, teils von bis zu sechs Männern. Sie habe zusehen müssen, wie Boko Haram mehr als 50 Menschen getötet habe, darunter auch ihre Schwester. "Sie wurden in ein Massengrab im Busch geschmissen", wird Aisha zitiert.

Boko Haram will einen sogenannten Gottesstaat mit strengster Auslegung des islamischen Rechts errichten. Bewohner von eingenommenen Dörfern und Städten, die sich den strikten Regeln verweigern, werden hart bestraft. Augenzeugen berichteten auch von Steinigungen. Der 15-jährige Mustapha Saleh schildert dem Amnesty-Bericht zufolge, wie er in der Kleinstadt Bama an der öffentlichen Steinigung von fünf Männern und fünf Frauen teilnehmen musste. "Sie haben die Anwohner herbeigerufen und ihnen das Steinigen befohlen", wird er zitiert.

Straßen voller Leichen

Neue Satellitenbilder zeigen laut Amnesty das Ausmaß der Zerstörung nach einem Boko-Haram-Angriff auf Bama im Nordosten Nigerias. Mindestens 5900 Gebäude - das entspreche etwa 70 Prozent der Kleinstadt - seien entweder beschädigt oder zerstört worden. Die Straßen seien voller Leichen gewesen. Im Jänner veröffentliche Satellitenbilder von einem Angriff auf die Stadt Baga am Tschadsee hatten weltweites Entsetzen ausgelöst. Bei dem Angriff waren Hunderte Menschen getötet worden.

Die nigerianischen Streitkräfte haben - zusammen mit dem Militär der Nachbarländer Tschad, Kamerun und Niger - seit Februar viele Erfolge im Kampf gegen Boko Haram vermeldet. Doch die Fundamentalisten sind längst nicht besiegt. Seit 2009 sind bei Anschlägen und Angriffen von Boko Haram Schätzungen zufolge mindestens 14.000 Menschen getötet worden; rund 1,5 Millionen Menschen sind auf der Flucht.

(APA/dpa)

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