Sommerakademie: Gegen die totale Ökonomisierung

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Tiefsinnig gibt sich die Salzburger Sommerakademie, die in ihrer diesjährigen Ausgabe „Bedeutung herstellen“ will.

Sie ist 62 Jahre alt und gar kein bisschen leise. Während Oskar Kokoschka, der die Internationale Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg 1953 als „Schule des Sehens“ gegründet hatte, noch meinte: „Meine Schule [war] eine Arbeitsschule und keine Diskussionsstunde“, hat sich das im Lauf der Zeit grundlegend geändert. Auch heute wird zwar in den meist zweiwöchigen Kursen verschiedener Sparten hart gearbeitet werden. Doch Diskussion, Diskurs und Gespräch sind längst zu wichtigen Bestandteilen geworden. Einige Kursangebote sind sogar speziell darauf ausgerichtet – der medienübergreifende Kurs des Aktivisten Doug Ashford etwa, die Graphic-Novel-Klasse von Nicolas Wild, der in seinem Werk neue Formen des Dokumentarismus beleuchtet, oder Public Space, ein Workshop des Kollektivs Feld72, der Städtebau, Architektur und Kunst im öffentlichen Raum thematisiert. Daher findet die Veranstaltung auch im öffentlichen Raum statt, um direkt auf die Stadt zu reagieren.

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Spazieren. Das kulturelle Leben Salzburgs wird im Hochsommer durch die Sommerakademie gehörig aufgemischt. Wohl findet der Großteil der angebotenen Kurse – ­18 von insgesamt 21 – auf der Festung Hohensalzburg, dem traditionellen Sitz der Sommerakademie, statt. Begleitend gibt es aber sowohl in den Galerien als auch den Museen der Stadt ein dichtes Ausstellungsprogramm sowie zahlreiche Veranstaltungen, mit denen die Sommerakademie selbst nach außen geht, von Stadtspaziergängen über Mittagsgespräche, in denen die Künstlerinnen und Künstler ihre Werke präsentieren, bis hin zu Tagen der offenen Türen, Vorträgen und Diskussionen. „Bedeutung herstellen“ lautet das diesjährige Motto des Jahresprogramms. Wie kann Bedeutung heute mit künstlerischen, kritischen, kuratorischen Mitteln hergestellt werden? Wie kann man darüber nachdenken? Was ergibt überhaupt Sinn? Was hat Bedeutung? Der Titel ist angelehnt an Jayce Salloums Fotografiekurs: „Potenzielle Darstellungsmöglichkeiten oder das Lesen/Schaffen von Bildern: Bedeutung herstellen“. „Die Idee, diesen Gedanken als Generalmotto aufzugreifen, entstand, weil ich den Eindruck hatte, dass heute alles in Geld gemessen wird, angefangen von Griechenland bis hin zum Kulturbetrieb selbst“, sagt Direktorin Hildegund Amanshauser. „Um dem etwas entgegenzusetzen, ist es uns ein besonderes Anliegen, die Frage nach der Sinnhaftigkeit unseres individuellen wie auch gesellschaftlichen Handelns zu stellen. Gerade die Kunst ist ein sehr geeignetes Medium, um dieser Totalökonomisierung aller Lebensbereiche etwas entgegenzusetzen.“

(c) Pia Streicher

Konzeptkunst neu. So geht es etwa Jayce Salloum mit der Frage nach der Herstellung von Bedeutung nicht nur darum, die Fähigkeit der Studierenden zur Herstellung von Bildern und Werkgruppen weiterzuentwickeln; die praktische fotografische Arbeit wird letztlich auch als ein Mittel verstanden, um „unsere Rolle als soziale und kulturelle Akteurinnen zu analysieren“ (Salloum). Anders der amerikanische Zeichner Ben Katchor: Er setzt in seiner „Comics- und Performance“-Klasse Traditionen des theatralen Vortrages – vom Bänkelgesang bis hin zu Performances – ein, nicht nur, um die Herkunft dieser Formate zu vermitteln, sondern auch, um deren kulturelle und rhetorische Funktion verständlich zu machen.

Thematische und diskursive Zugänge bieten aber auch jene Kurse, in denen vermeintlich klassische Medien auf der Tagesordnung stehen. Der Pole Tomasz Kowalski etwa will Malerei als Methode zur Visualisierung des Unbewussten, des Surrealen und inneren Selbsts vermitteln. Die Frankfurter Künstlerin Nora Schultz fordert die Teilnehmenden auf, parallel zu formalen Fragen der Skulptur auch Bezüge zu theoretisch-wissenschaftlichen Modellen, zu fiktionalen Narrativen, anderen künstlerischen Arbeiten sowie zur „unmittelbaren Realität“ mitzudenken. Und auch der Schmuckdesigner Marc Monzó leitet in seinem Kurs unter dem Titel „Der Big Bang und Du“ die Studierenden dazu an, sich nicht allein auf die Perfektionierung technischer Fertigkeiten zu beschränken, sondern mit ihren Arbeiten „ihr eigenes Verhältnis zum Universum auszudrücken“ und so ihre „individuelle plastische Ausdrucksweise zu schärfen“. Ein besonderes Anliegen der Sommerakademie ist es, „alte Techniken, die in Vergessenheit geraten sind, neu aufzugreifen“, so Amanshauser. Mit Bernhard Cella wurde diesmal ein Künstler eingeladen, der sich für die ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen des „Künstlerbuches“ interessiert und dieses Interesse in einem als Konzeptskulptur angelegten (und im 21er-Haus als Buchhandlung betriebenen) „Salon für Kunstbuch“ umsetzt. Nach Salzburg kommt Cella nun mit einer kleinen japanischen Druckmaschine im Gepäck, und wird die Kursteilnehmer bei der Realisierung ihres eigenen Buchs anleiten – von der ersten Idee über die Konzeption bis zum fertig gedruckten Produkt.

Tipp

Die Internationale Sommerakademie für bildende Kunst findet ab 20. 7. in Salzburg statt. Details und Anmeldungen: www.summeracademy.at

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