Euribor: Auch Euro-Zinsen schon unter null

(c) Bloomberg (Martin Leissl)
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Seit dieser Woche bezahlen Banken dafür, dass sie anderen Banken Geld leihen dürfen. Private Kreditnehmer profitieren davon, Sparer müssen mittelfristig mit „Strafzinsen“ rechnen.

Frankfurt/Wien. Jetzt ist die Finanzwelt endgültig auf den Kopf gestellt: Am Dienstag dieser Woche rutschte der Referenzzinssatz für Euro-Anleihen mit dreimonatiger Laufzeit, der sogenannte Dreimonats-Euribor, auf minus 0,001 Prozent und damit erstmals unter null. Der Euribor ist der Zinssatz, zu dem einander die Banken Euro leihen. Erstmals bekommen also Geldinstitute dafür bezahlt, dass sie sich Geld ausleihen.

Die Auswirkungen gehen aber weit über den Interbankenbereich hinaus: Sehr viele Kredite an Private, zum Beispiel die meisten Euro-Wohnbaukredite, sind an diesen Zinssatz gebunden. Sinkt der Dreimonats-Euribor so weit unter null, dass der vereinbarte Aufschlag auf den Referenzzinssatz kompensiert wird, dann müssten Kreditnehmer künftig also Zinsen von der Bank dafür bekommen, dass sie sich Geld ausleihen.

Ausgeschlossen ist das nicht. Bei Franken-Krediten, wo der entsprechende Referenzzins schon deutlich unter null liegt, stellt sich die Frage in einigen Fällen bereits. Österreichische Banken haben unterdessen klargemacht, dass bei ihnen Kreditzinsen nicht unter null fallen können (neue Kreditverträge enthalten auch schon entsprechende Klauseln). Ob das im Ernstfall bei Verträgen ohne einschlägige Klauseln rechtlich hält, ist freilich eine andere Frage.

Sparzinsen bald negativ?

Große Auswirkungen hat der Zinsenverfall auch auf die Sparer. Diesfalls aber sehr negative. Real (also unter Abzug der Inflation) sind Sparkonten ja schon seit einiger Zeit negativ verzinst. Fallen die Referenzzinssätze weiter, wovon Experten ausgehen, dann könnten bald auch nominell „Strafzinsen“ auf Sparguthaben eingehoben werden. Wer dann Geld auf der Bank liegen hat, zahlt. In Deutschland und in der Schweiz ist das für große Einlagen im sechsstelligen Bereich schon jetzt Realität. Es ist, auch wenn Banken noch dementieren, nur eine Frage der Zeit, bis sich Negativzinsen auch auf kleinere Sparguthaben durchschlagen.

Auslöser des Zinsenverfalls ist das Anleihekaufprogramm der EZB. Wie berichtet, hat diese beschlossen, zur Konjunkturankurbelung Liquidität in die Märkte pumpen zu wollen, indem sie auf dem Sekundärmarkt Staatsanleihen über 1200 Mrd. Euro aufkauft. Bisher hat die Notenbank Anleihen um rund 70 Mrd. Euro gekauft. Und zwar von Banken, die ihr diese Anleihen angedient haben. Das Geld steckt jetzt im Bankensystem, ohne dass es dort vernünftige Anlagemöglichkeiten hätte.

Die Kreditnachfrage ist jedenfalls noch zu schwach, und die in der Vergangenheit praktizierte Lösung, das Geld kurzfristig bei der EZB zu „parken“, ist unterdessen zu teuer: Die Euro-Notenbank zahlt nicht nur keine Zinsen, sie verlangt auch noch 0,2Prozent „Parkgebühr“. Da ist es noch günstiger, das Geld für derzeit 0,001 Prozent Strafzinsen bei anderen Geldinstituten zu „parken“.

Gefahr von Spekulationsblasen

Der Druck auf den Euribor wird in nächster Zeit noch deutlich steigen, denn das Anleihekaufprogramm der EZB ist ja gerade erst angelaufen. In den nächsten Monaten werden auf diese Weise noch mehr als 1100 Milliarden Euro ins Bankensystem gepumpt werden. Ob die EZB damit das Ziel erreicht, die Konjunktur entsprechend zu beleben, wird unterdessen stark bezweifelt. Mangels Nachfrage und wegen nach der Krise stark verschärfter Kreditvergaberegelungen bleibt der größere Teil des Geldes nämlich im Bankensystem (wo es die Zinssätze weiter drückt) beziehungsweise fließt in Aktien- und Immobilienmärkte. Statt Investitionen werden also Spekulationsblasen finanziert, was zum Ende des Programms ernste Probleme in diesen Märkten hervorrufen kann, die sich negativ auf die gesamte Wirtschaft auswirken.

Profiteure sind die hoch verschuldeten Staaten, deren Zinslast stark sinkt. Nicht nur Länder mit erstklassiger Bonität wie Deutschland und Österreich, auch Krisenländer wie Spanien konnten kurzfristige Staatsanleihen schon zu Negativzinsen begeben.

Ökonomen fürchten, dass damit die völlig falschen Anreize gesetzt werden und der Reformeifer der Euroländer entweder erlahmt oder, mangels finanziellen Drucks, gar nicht erst in die Gänge kommt. Beginnen die Zinsen irgendwann wieder zu steigen, dann könnte das zu ziemlich ernsten Problemen bei der Staatsfinanzierung führen.

Bis dahin profitieren die Staaten von Negativzinsen freilich stark. Die Rechnung zahlen die Sparer, die schrittweise enteignet werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2015)

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