1. Mai: Der Tag der roten Wahlkampftöne

1. MAI KUNDGEBUNG DER SPOe IN WIEN: BRAUNER / HAeUPL / FAYMANN
1. MAI KUNDGEBUNG DER SPOe IN WIEN: BRAUNER / HAeUPL / FAYMANN(c) APA/HANS PUNZ
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Auf dem Wiener Rathausplatz schwor die SPÖ-Spitze die Basis auf die Wien-Wahl im Oktober ein. Kritik gab es an den Grünen und an „Weinbergbesitzer“ Hans Jörg Schelling.

Wien. Es ist kalt. Schwere Wolken hängen am Himmel, und es sieht nach Regen aus, während eine Band fröhlich aufspielt. Hier auf dem Schuhmeierplatz sammelt sich am frühen Morgen die Bezirksorganisation Ottakring. Also die rote Basis des 16. Bezirks, die (wie seit 125 Jahren) am 1. Mai in Richtung Zentrum zieht, um auf dem Rathausplatz einen der höchsten Feiertage der SPÖ zu begehen. Die Stimmung ist gut in der einflussreichsten roten Bezirkspartei, die mit Michael Häupl den Bürgermeister, mit Christian Oxonitsch den Bildungsstadtrat und mit Ulli Sima die Umweltstadträtin stellt. Es herrscht Volksfeststimmung, als sich die rund 300 Teilnehmer in Bewegung setzen. Eine junge Frau, offenbar von einer Lokaltour übrig geblieben, tanzt begeistert zu den Klängen einer Jazz-Band, die sich einen musikalischen Klassenkampf mit einem Blasmusikorchester liefert.

SPÖ: Steuerreform vermarkten

Während des Marsches halten Funktionäre Transparente („Sechs Wochen Urlaub für alle“, „125 Jahre 1.Mai als Staatsfeiertag“). Einige Wiener beobachten den Zug vom Fenster aus, am Straßenrand fotografiert eine japanische Touristin interessiert den Aufmarsch, der Stunden später auf dem Rathausplatz eintrifft. Dort vereinen sich alle roten Organisationen, die SPÖ spricht von 100.000 Teilnehmern.

Auf der Tribüne winkt die SPÖ-Spitze mit Bundeskanzler Werner Faymann, Michael Häupl, ÖGB-Chef Erich Foglar und den Wiener Stadträten den vorbeiziehenden Funktionären zu, bevor Klartext gesprochen wird: Am 11. Oktober sind Wien-Wahlen, alle haben zu rennen – es darf keine Mehrheit gegen die SPÖ geben, damit nicht dasselbe wie in Wiener Neustadt passiert (dort hat eine schwarz-blau-grüne Koalition den roten Bürgermeister abgelöst). Argumente, mit denen Basisfunktionäre die Wähler überzeugen sollen, werden gleich mitgeliefert. „Für alle erreicht: mehr netto vom Brutto“, steht groß neben der Bühne, die als erster ÖGB-Chef Erich Foglar betritt. „Vor einem Jahr wurde gesagt: Eine Steuerreform können wir uns nicht leisten. Ein Jahr später haben wir das geschafft.“ Vizebürgermeisterin Renate Brauner setzt nach: Gerade in einem Wahljahr müsste man den Wienern „immer wieder“ die Errungenschaften der SPÖ in Erinnerung rufen. Beispielsweise die Qualität des Wiener Wassers. Sie gebe es nur, weil die SPÖ eine Privatisierung verhindert habe, so Brauner, die sich einen Seitenhieb auf den Koalitionspartner nicht verkneifen konnte: „Die Grünen nehmen keine Rücksicht auf den öffentlichen Verkehr“, sie würden alles dem Radfahren unterordnen und erst jetzt, vor der Wahl, plötzlich hektische Aktivitäten im Planungsressort entwickeln.

Häupl gegen Schelling

Wenig später ist Häupl dran. Er appelliert ebenfalls an die Funktionäre, für die Wien-Wahl zu laufen. Und bringt (wie Foglar) als warnendes Beispiel Wiener Neustadt, als positives die Steuerreform.

Gleichzeitig wird klar: Michael Häupl und Hans Jörg Schelling – das wird nichts mehr. Zuerst die Auseinandersetzung um die Wiener Beamtenpensionen, nun Schellings Forderung nach einem Mitspracherecht des Bundes bei Investitionen der Länder: „Lassen Sie uns unseren Job machen“, polterte Häupl, „dann können Sie sicher sein, dass Ihre Enkelkinder in einer wunderbaren Stadt leben werden.“ Trockener Nachsatz: „Auch wenn Ihre Enkel dann hinausfahren in das Weingut nach Niederösterreich, das sie von Ihnen geerbt haben – um dort bei der Feldarbeit zumindest zuzuschauen, damit sie wissen, wie Arbeit ausschaut.“

Faymann schlägt in dieselbe Kerbe wie die Redner davor, lobt Häupl demonstrativ. Kritik gibt es an diesem Tag nur von einer Gruppe unabhängiger Pflegebediensteter, die Probleme im Gesundheitssystem beklagt. Sonst ist es ruhig. Sogar bei den roten Lehrern. Ein 83-jähriger Funktionär, der bei Faymanns Rede gelegentlich den Kopf geschüttelt hat, meint, von der „Presse“ auf mögliche Kritik angesprochen, völlig überrascht: „Ist das Ihr Ernst? Sie werden hier und heute niemanden finden, der etwas Negatives über die SPÖ sagt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2015)

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