Prämie für Pflege „nicht an den Tod knüpfen“

Haende Pfleger und Seniorin
Haende Pfleger und Seniorin(c) Erwin Wodicka - BilderBox.com
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Rechtsanwälte und Grüne fürchten, dass die geplante Abgeltung für pflegende Angehörige im Gesetz kontraproduktiv ist. Es gebe bessere Wege. Experte Kletečka sieht aber gerade für sich aufopfernde Kinder Vorteile in der Novelle.

Wien. Wer einen Verwandten gepflegt hat, der soll künftig mit Geld aus dem Erbe dieser Person belohnt werden. So sieht es der Gesetzesentwurf von Justizminister Wolfgang Brandstetter vor. Eine Idee, die zwar von der Intention her von vielen Seiten begrüßt wird. Doch es mehren sich die Zweifel, ob das Erbrecht der beste Weg ist, um Pflegende zu belohnen.

Denn um das Geld zu bekommen, muss der Betreute sterben. Das „entbehrt nicht eines gewissen inneren Spannungsverhältnisses“, meinen Österreichs Anwälte. „Die Entlohnung für eine gute Pflege sollte doch an das Wohlergehen des Erblassers knüpfen, nicht an dessen Tod“, heißt es in der von der Wiener Anwältin Elisabeth Scheuba ausgearbeiteten Stellungnahme des Rechtsanwaltskammertags. „Der pflegende Angehörige sollte auch nicht den Tod seines Pfleglings abwarten können oder gar abwarten dürfen, um dann erst eine angemessene Abgeltung seiner erbrachten Dienste zu verlangen“, betont das höchste Gremium der Rechtsanwälte. Die Novelle aber würde es geradezu fördern, dass mit einer Abgeltung für die Leistung solange zugewartet wird, bis man den Gepflegten nicht mehr fragen kann, ob er das so wollte.

„Ausgleich unter Kindern“

Auch die Grünen hegen Zweifel. „Das Einklagen von Pflegeleistungen war bisher die Ausnahme. Jetzt könnte das noch zusätzlich in eine oft emotional aufgeladene Phase von Erbschaftskonflikten hineingetragen werden“, warnt Justizsprecher Albert Steinhauser. Und Pflegesprecherin Judith Schwentner fürchtet, dass die Begünstigung im Erbrecht dazu führen könnte, dass die Belastung auf Angehörige steigt. „Der Druck zu pflegen, nur um mehr zu erben, kann dazu führen, dass Angehörige sich zu viel zumuten und überlastet sind“, glaubt sie. Denn rechtlich abgegolten würde nur die umfassende Pflegearbeit zu Hause, nicht aber etwa regelmäßige Besuche.

Konkret sieht die Novelle vor, dass ein naher Angehöriger (gesetzliche Erben und ihre nächsten Angehörigen sowie der Lebensgefährte des Verstorbenen) eine „angemessene Abgeltung“ erhält. Und zwar dann, wenn dieser den Verstorbenen „in den letzten drei Jahren vor seinem Tod über längere Zeit umfassend betreut und gepflegt“ hat. Der Richter müsste die Summe für die Leistung im Einzelfall festlegen. Die Grünen betonen, dass Gerichte schon bisher Personen, die Angehörige gepflegt haben, eine finanzielle Abgeltung zugesprochen haben. Und auch die Anwälte meinen: „Das Schuldrecht gewährt ein ausreichendes Instrumentarium, um diese Ansprüche geltend zu machen.“

So einfach sei das aber nicht, wendet Andreas Kletečka, Zivilrechtsprofessor an der Universität Salzburg, im Gespräch mit der „Presse“ ein. Zwar könne man momentan etwa bereicherungsrechtlich klagen – nämlich dann, wenn man mit der Erwartung auf ein Erbe jemanden gepflegt hat, aber dann doch nichts bekommt. Nur gerade bei Kindern laufe diese Formel ins Leere, weil sie ja zumindest den gesetzlichen Erbteil erhalten und nicht leer ausgehen. Daher findet der Jurist die Novelle durchwegs gut; „Ich halte sie für einen Fortschritt“, sagt er. Denn so werde ein Ausgleich unter den Kindern geschaffen: Wer die Eltern gepflegt hat, bekommt mehr.

Sicher, man könne hinterfragen, ob das Erbrecht der beste Weg ist, diese Frage zu regeln, meint Kletečka. Auch könne man in Zweifel ziehen, warum nur nahe Angehörige und nicht jeder, der jemanden pflegt, beim Erbe belohnt werden soll. Aber andererseits könnte es sonst zu Problemen kommen, wenn fremde Leute sich um Alte kümmern, um an das Erbe zu kommen. So gesehen sei die Einschränkung auf Angehörige gar nicht schlecht, erklärt Kletečka.

Die Novelle sieht abseits des Pflegethemas noch einige andere Neuerungen vor: So sollen Lebensgefährten ohne Trauschein (bisher ohne gesetzliches Erbrecht) künftig den Nachlass bekommen, wenn es sonst keinerlei gesetzliche Erben (Kinder, Vorfahren, Gatten) gibt. Um Betriebsübernahmen zu erleichtern, soll der Firmenerbe künftig Zeit bekommen, um den anderen Erbberechtigten ihren Pflichtteil auszuzahlen (bis zu fünf, in speziellen Fällen bis zu zehn Jahren). Und auch die Enterbungsgründe werden geändert: So soll man Pflichtteilsberechtigte (wie etwa Kinder und Ehepartner) nicht mehr wegen einer gegen die „öffentliche Sittlichkeit anstößigen Lebensart“ enterben können.

Bischöfe: Sittenparagraf soll bleiben

Protest dagegen kommt von der Bischofskonferenz. So würde ein „weiterer Anreiz wegfallen, eine ethisch und sittlich nicht anstößige Lebensweise zu verfolgen“, beklagt sie. Es gebe sehr wohl Lebensweisen, in denen eine Enterbung gerechtfertigt erscheine: etwa ein lang andauerndes ehebrecherisches Verhältnis, sagen die katholischen Bischöfe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2015)

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