Bierbrauen und Bogenschießen

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Oberösterreich II. Bei den Marienschwestern kann sich der gestresste Mann gegen Burn-out wappnen und seine Gefühle wiederentdecken.

Danach wirst du tief und fest schlafen wie ein Säugling, hatten sie mir gesagt. Und das überzeugend. Es war dann auch so, dass ich mich in einen nachhaltigen Tiefschlaf verabschiedet hatte. Nur: vorher, nicht danach. Irgendwann in der Nacht, gefühltermaßen eine Stunde nach Mitternacht, tatsächlich zeigte die Uhr dreiviertel fünf, holte mich die grelle Deckenleuchte aus dem Schlaf, nahm ich in meinem apathischen Zustand schnelle Schritte wahr und hörte eine Frauenstimme: „Bitte den Oberkörper freimachen.“ Was ich schlaftrunken irgendwie bewerkstelligte, aufrecht auf meinem Bett saß, während eine Nonne mir mit einem großen eiskalten Lappen den Rücken abschrubbte. Irgendwann verließ sie mit flinken Schritten das Zimmer und schaltete das Licht aus. Ich saß ratlos auf meinem Bett und überlegte, ob ich das alles nur geträumt hatte.

Von Nonnen, die mich nachts an meiner Bettstatt besuchen, habe ich noch nie geträumt. Auf diese Art und zu dieser Zeit geweckt zu werden, gehört nicht zu den Dingen, an die man sich gern erinnert. Ich lag noch eine Weile in meinem Bett und sinnierte, was daran nun gesund sein soll. Solche Erfahrungen müssen gesund sein, wenn sie jeglicher Annehmlichkeiten entbehren. Ich bin ja nicht in einem Wellnesshotel, sondern bei den Marienschwestern in Aspach im Innviertel.

Die Schwestern haben sich der Traditionellen Europäischen Medizin verschrieben und sind ausgewiesene Expertinnen bei Kneipp-Behandlungen, zu denen auch meine nächtliche Waschung gehört. Nun haben die Marienschwestern auch den Mann als hilfsbedürftige Zielgruppe auf dem Radar und offerieren spezielle Programme, die gestressten und Burn-out-gefährdeten Herren die Sinnsuche und den Weg zu einer gesünderen Lebensweise erleichtern sollen. Nun fühle ich mich nicht ausgebrannt, aber Gesundheit und Wohlbefinden zu steigern, halte ich für sinnvoll. Deshalb Aspach.

Das Kloster ist ein heller, schlicht eingerichteter Bau, dessen klerikale Sinnhaftigkeit präsent, aber nicht aufdringlich ist. Mit anderen Worten: Du kannst hier beten, musst aber nicht. Die Gäste des Hauses sind überwiegend Pensionisten. Es geht sehr ruhig zu im Haus, weshalb man sich als Neuankömmling schnell eine gewisse Zurückhaltung aneignet, was ja auch zum Thema passt. Prävention, Regeneration und Orientierung sind die drei Schwerpunkte des Männerprogramms, was zunächst ziemlich theoretisch klingt.

Um den einzelnen Aktivitäten eine Richtung zu geben, wird eingangs mein Archetypus mit einem langen Fragenkatalog bestimmt. Demnach bin ich eindeutig ein Sanguiniker, Melancholie ist mir eher fremd. Daran ändern auch die Massage und die Wechsel-Kniegüsse mit zehn und vierzig Grad kaltem beziehungsweise warmem Wasser nicht viel. Außer dass sich meine Unterschenkel danach wie unter einer imaginären Heizdecke anfühlen.

Vormittagsnickerchen

Nachmittags trifft sich unsere kleine hilfsbedürftige Männergruppe im Garten zum therapeutischen Bogenschießen. Thomas Kanitz ist Physiotherapeut und Bogenschütze. Er weist uns in die Technik dieser archaischen Sportart ein, es gelingt ihm auch, dass wir bei der feinmotorischen Handhabung von Pfeil und Bogen Fortschritte machen. „Du zielst nicht mit dem Pfeil. Vielmehr musst du ein Gefühl für seine Richtung bekommen.“ Solche sensorischen Ansprüche sind nicht gerade klassische männliche Attitüden. Aber wir schaffen dann ganz ordentliche Treffer, was auch daran liegt, dass die Zielscheibe nur ein paar Schritte entfernt ist. „Typisch Mann“, sagt Kanitz, „ihr seid sofort in einem Wettkampf untereinander.“ Eigentlich sollten wir ja ein Gefühl für den Bogen und den Bewegungsablauf bekommen.

Am zweiten Tag warten nach der Morgenwaschung und vor dem Frühstück im Garten keltische Yoga-Übungen, die viel mit Atemtechnik zu tun haben. Nach dem Frühstück steht Bettruhe auf dem Programm, die um einen Lendensalzwickel angereichert wird, was mir ein Vormittagsnickerchen verschafft, das sonst nicht zu meinen täglichen Gewohnheiten gehört. Aber nach der Morgenwaschung, dem keltischen Yoga und dem Wickel ist das wahrscheinlich ganz normal.

Nachmittags sitzen wir mit Martin Auer zusammen. Der Salzburger Persönlichkeitstrainer erzählt in seinem Workshop viele Dinge über das männliche Krisenmanagement, die dich nicht gerade euphorisch machen. Dass Männer oft zu lange warten, bis sie sich helfen lassen. Dass Männer den weitaus größeren Anteil bei Alkoholikern und Selbstmorden stellen und noch einige andere romantische Phänomene. Wir reden über Burn-out-Symptome, über Präventionsmaßnahmen und darüber, wie du als Mann besser mit deinen Gefühlen umgehen und wie du Veränderungsarbeit leisten kannst. Das mag nun alles recht therapeutisch und ernsthaft klingen, Martin Auer aber vermittelt einen sehr entspannten Eindruck.

Der frühe Abend gehört dann einem männertypischen Entspannungsprogramm mit einer praktischen Vorführung von Rudi Ganglbauer, der zeigt, wie man zu Hause gutes Bier brauen kann. Selbstverständlich gönnen wir uns eine abschließende Verkostung. Solche Aktivitäten braucht es schon auch, sagt Schwester Oberin Emmanuela Reichl. Die Männer sind schließlich keine ganz einfache Zielgruppe.
Hier in Aspach hast du als Mann trotzdem gute Chancen, deine Befindlichkeit zu verbessern. Am Ende gibt es einen Workshop mit einem Exkurs in die Logotherapie von Viktor Frankl. Ich nehme mir fest vor, gelassener zu werden, meine Gefühle mehr zu respektieren, und ich weiß jetzt, dass nächtliche Waschungen meine Lebensqualität nicht steigern und dass Bierbrauen therapeutisches Potenzial hat.

Schwestern und Männer

TEM sanft – ein starker Beginn: Das Männerprogramm bekam einen stärkeren gesundheitlichen Schwerpunkt, Bierbrauen wird nicht mehr angeboten. Sechs Nächte mit archetypischer Verpflegung, u. a. „Reflexologie“ 30 Min., TEM-Wickel, Hydrolat-Auflage, Mental- und Körpertraining, 489 €. 05/9922, www.tem-zentrum.at; kneippen.at

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