ÖSV-Vermarktung: Erst der Verband, dann der Sportler

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Im ÖSV entscheiden Ehrenamtliche über das wirtschaftliche Wohlergehen von Sportlern wie Anna Fenninger. Der Disput hält weiter an, sogar die Diskussion über eine Sperre.

Wien. Die Diskussion um Anna Fenninger und den ÖSV hat ihren Charakter geändert. Es wurde der Eindruck erweckt, als wolle die Olympiasiegerin Österreich verlassen und für einen anderen Verband, ein anderes Land antreten. Deutsche oder Schweizer würden sie „mit offenen Armen“ nehmen. Rapid würde Lionel Messi ja auch nicht aus der Kabine stoßen. Doch Fenninger und Manager Klaus Kärcher haben derartige Absichten wiederholt dementiert. Fenninger stellte dies sogar in einem ORF-Interview am Sonntag erneut klar.

Was steckt aber hinter der angeblichen Drohung, Fenninger für ein Jahr zu sperren? Klärung verschafft ein Blick in die der „Presse“ vorliegende „Lizenzerklärung“. Jeder Nationalkaderathlet muss sie unterschreiben; ebenso eine „Verhaltensordnung“ und „Ausführungsbestimmungen“, falls er eine FIS-Lizenz lösen will. Die Regelung für den Fall des Nationenwechsels findet sich darin unter Punkt 3 der Lizenzerklärung („Kosten und Ersatz“).

Paragrafen und harte Regeln

Hier wird festgestellt, dass der ÖSV die Spesen für „Trainings- und Wettkampfeinsätze einschließlich der sportlichen und medizinischen Betreuung“ trage. Allerdings: Für den Fall, dass der Athlet während eines Zeitraumes von einem Jahr nach Beendigung der Lizenzperiode für einen anderen Skiverband oder als Profi startet, müssten alle zuvor aufgewendeten Kosten (z. B. Training, Betreuung, Transport) binnen vier Wochen – „nach Aufforderung“ – zurückbezahlt werden.

Falls Fenninger also innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt der Abmeldung vom ÖSV für eine andere Nation antreten wollen würde, wäre das ein höchst kostspieliges Unternehmen. Ersparen würde sie sich allerdings die ÖSV-Athletenerklärungen und die Einschränkungen ihrer wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten.

Nur wer die Athletenerklärungen unterschreibt, darf seinen Beruf im ÖSV ausüben. Anschließend darf er „einen Antrag auf Freigabe der Werbeflächen auf Kopfbedeckungen für einen individuellen Sponsor“ (Ausführungsbestimmungen, 2.2. Antragsmöglichkeit) stellen. Die jeweiligen Anträge müssen „bis 15. November eines jeden Jahres“ eingebracht werden. Nach dem 15. November geht der Rollbalken herunter. Warum? Das erklärt der ÖSV nicht. Wann beginnt die Frist? Auch das bleibt offen. Aber: „Anträge können nur vorbehaltlich einer vom ÖSV bereits getroffenen Gruppenverpflichtung, gestellt werden.“ (Artikel 2.5.1.). Erst kommt der ÖSV, dann der Sportler.

Eine Riege ehrenamtlicher Funktionäre ist nun am Zug. Damit die Bundesländer-Präsidenten auch frei über Sportler entscheiden können, hält der Verband fest: „Ein Rechtsanspruch von Aktiven auf individuelle Nutzung solcher Werbeflächen besteht nicht.“

Zehn Prozent an den ÖSV

ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel ist stolz darauf, den Verband zu einem Großteil aus privaten Quellen zu finanzieren. Um den Ertrag zu optimieren, hat der ÖSV auch die Vermarktung der Sportler übernommen. Das Interesse des Sportlers, der die Werbeleistung erbringt und durch seine Leistungen und Prominenz in vielen Fällen überhaupt erst ermöglicht, erscheint nachrangig. Kommt es zur Kopfwerbung, schließt der ÖSV mit dem Sponsor – und erst hernach mit dem Athleten –, einen Vertrag. Von allen Einnahmen aus diesem Titel sind 10 Prozent an den ÖSV abzuführen.

Und dabei ist es gleich, ob es sich dabei um Verträge zwischen dem ÖSV bzw. Austria Ski Pool, dem Kooperationspartner oder um Verträge zwischen ÖSV und „einer den Athleten vertretenden Agentur“ handelt. (Artikel 2.7)

AUF EINEN BLICK

Anna Fenninger nahm am Sonntag in einem ORF-Interview zum Disput mit dem ÖSV Stellung. Dabei schloss die 25-Jährige eine Trennung von Manager Klaus Kärcher ebenso wie einen Nationenwechsel aus.

Ein Streitpunkt ist die Vermarktung der Athleten. Der ÖSV schließt mit dem Sponsor – und erst danach mit dem Athleten – einen Vertrag. Von allen Einnahmen sind zehn Prozent an den Verband abzuführen. Einen Rechtsanspruch auf die individuelle Nutzung von Werbeflächen besteht nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2015)

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