Porträt: Rupert-Heinrich, der Partyschreck

Bei Hauptversammlungen ist Anleger Rupert-Heinrich Staller ein Raubein: polternd, provokant, penetrant. Alle Manager fürchten ihn – neuerdings auch Julius Meinl.

Hauptversammlungen sind für gewöhnlich kein Mädchenpensionat. Das weiß natürlich auch ÖIAG-Chef Peter Michaelis. Trotzdem hat ihm das Aktionärstreffen vergangener Woche arg zugesetzt. Nicht, dass er keine bösen Vorahnungen gehabt hätte: Bei der AUA geht's ja ordentlich rund – und Aufsichtsratspräsident Michaelis wusste, dass die Aktionäre einigermaßen aufgebracht sind. Trotzdem wurden seine schlimmsten Befürchtungen übertroffen.

Das lag daran, dass so ein Jungspund mit offensichtlichem Hang zu Theatralik sich gar so respektlos gerierte. „Herr Michaelis, Sie sind ein Versager für dieses Unternehmen“, dröhnte er etwa coram publico ins Mikrofon. Und dass die AUA-Privatisierung zu spät erfolgt sei, liege daran, dass Michaelis „nicht den Mumm gehabt“ habe, zum damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser zu gehen. Nachsatz: „Vor Grasser feig zu sein, ist überhaupt entsetzlich.“

Besonders peinlich war für Michaelis die Sache mit der „Senator-Karte“. Da fragte ihn der freche Kleinaktionär, ob er von der AUA zusätzliche Vergütungen bekomme. Michaelis verneinte. Worauf der Aktionär triumphierend die „Senator-Karte“ präsentierte, die AUA-Passagieren allerlei Privilegien zugesteht. Michaelis entgegnete empört, die Karte habe er als ÖIAG-Vorstand bekommen – was allerdings von AUA-Vorstand Andreas Bierwirth korrigiert werden musste: Michaelis hat die Karte in seiner Funktion als AUA-Aufsichtsrat bekommen. Der Kleinanleger hatte das letzte Wort: „Eine Senator-Karte ist eineVergütung. Ich glaube Ihnen kein Wort mehr.“

Schachmatt. Doch wer ist der Mann, der Michaelis dermaßen vorgeführt hat? Vorhang auf für Rupert-Heinrich Staller. Schon seit geraumer Zeit gilt er als „Partyschreck“ der einst so gemütlichen Hauptversammlungen. 40 Jahre ist er jung, doch in den börsenotierten Unternehmen hat er sich schon jede Menge Feinde gemacht. Offiziell will natürlich niemand über Staller herziehen – Gott behüte. Aber hinter vorgehaltener Hand wird geschimpft, was das Zeug hält: Staller sei ein Selbstdarsteller, ein Egomane und jedenfalls einer, „über dessen Anwesenheit man sich nicht freut“. Wiewohl doch zähneknirschend zugegeben wird: Er habe dazu beigetragen, dass Manager vorsichtiger geworden seien und dass Kleinaktionäre bei Hauptversammlungen generell ernster genommen werden.

Die Angst vor Rupert-Heinrich Staller ist offenbar groß: Erstens, weil er als rhetorische Ausnahmeerscheinung gilt. Zweitens, weil er offenbar über ein brillantes Gedächtnis verfügt – „er kennt die gesamten Geschäftsberichte in- und auswendig“, seufzt ein Staller-Leidgeprüfter. Und drittens, weil er mit nobler Zurückhaltung so überhaupt nichts am Hut hat: „Er greift zuerst die Aufsichtsräte und Manager persönlich an und macht sie psychologisch fertig“, erzählt ein Betroffener. „Wenn dann alle völlig zermürbt sind, kommt er mit Sachargumenten. Da haben die Angegriffenen dann keine Chance mehr.“

Staller selbst sagt, dass es ihm ausschließlich um „Aktionärsdemokratie“ gehe – „mir ist der Respekt vor dem Umgang mit fremdem Geld wichtig.“ Mag sein. Aber Spaß hat er sichtlich auch daran: Hauptversammlungen sind für ihn zu einer Art Bühne geworden, auf der er lustvoll oscarreife Auftritte absolviert. Rupert-Heinrich Staller ist der Bruce Willis für Aktionäre: ein Raubein, ein Kämpfer ohne Rücksicht auf Verluste. „Stirb langsam“ – nur, dass man im Börsejargon dazu „Shareholder activism“ sagt. Staller beherrscht die Finessen dieses Aktivismus mittlerweile zur Perfektion.

Er hat ja auch lang genug geübt. Dabei ist er eher zufällig in diesen „Beruf“ geschlittert. Begonnen hat alles 1997, als er in den USA den legendären Chrysler-Manager Lee Iacocca kennenlernte. Er imponierte Staller. Und als Iacocca von der österreichischen Steyr-Daimler-Puch AG schwärmte, beschloss Staller kurzerhand, Aktien des Unternehmens zu erwerben.

Ein Jahr später kaufte der Austrokanadier Frank Stronach den Konzern – und wollte die Kleinaktionäre offenbar billig abspeisen. Jedenfalls sah Staller das so. Zwei Jahre lang wurde gestritten. „Das hat Rechtsgeschichte geschrieben“, sagt Staller stolz. Es kam dann schließlich zum rechtlichen Vergleich mit Stronach.

Staller hatte damit in gewissem Sinne Blut geleckt. In den Jahren darauf hat er dann dieses „Geschäftsmodell“ zur Perfektion entwickelt: Er kaufte vornehmlich Aktien von Unternehmen, die später von der Börse genommen wurden. Und lieferte sich mit den Managern filmreife Duelle über die Abfindung der Aktionäre – etwa bei Steirerobst, Readymix-Kies Union, Baumax und Constantia Iso. Die Strategie war stets die gleiche: Staller setzte die Manager gekonnt unter Druck, bis diese sich des lästigen Aktionärs mittels finanziellen Entgegenkommens entledigten.

Frechheit siegt, ist man geneigt zu sagen. Staller beliebt so zu formulieren: „Mir fehlt der bei Österreichern naturgegebene, übertriebene Respekt vor Obrigkeiten. Die Zwänge des Sich-Anbiederns sind mir völlig fremd.“ Dass sich damit auch fein Geld verdienen lässt, ist natürlich auch nicht übel. Vor drei Jahren outete sich Staller jedenfalls als sehr vermögend: Er ersteigerte das Gemälde „Totentanz“ von Albin Egger-Lienz um 912.000 Euro. Das Geld hat er bar hingelegt. Jeden Cent habe er übrigens selbst verdient, betont er.

Über seine Liebe zur Kunst redet Staller überhaupt besonders gerne: Er besitze Bilder, um die ihn Sammler Rudolf Leopold und Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder beneiden würden, sagt er gar nicht nobel zurückhaltend. Er sei Albertina-Patron und verfüge über eine Premierenloge im Theater an der Josefstadt – was ihn besonders freut, weil er sie dem Wiener Bürgermeister „abgeluchst“ hat. Er sei halt ein Perfektionist und bekomme in der Regel alles, was er sich in den Kopf gesetzt habe.


Nur über ein Thema redet Staller nicht so gerne: sein Meinl-Intermezzo. Jahrelang hat Staller bei Hauptversammlungen gemeinsam mit der Meinl Bank um die Rechte der Kleinaktionäre gekämpft (auch irgendwie lustig, aber das nur nebenbei). Meinl habe sich Staller „als Bluthund gehalten“, heißt es in Börsekreisen. Vor zwei Jahren, als die Wogen um die Meinl European Land (MEL) längst hochgegangen waren, holte ihn dann Julius Meinl als MEL-Sprecher. Staller blieb nur zwei Monate, nachdem Meinl seine Ratschläge ignoriert hatte.

Stallers Aussage vor der Justiz soll entscheidend dafür gewesen sein, dass Meinl vor wenigen Wochen in U-Haft genommen wurde – so steht es angeblich im Haftbefehl. Staller will zu der Causa nichts sagen. Außer, dass sie ihn „traurig macht“. Und weil er sich abseits der Hauptversammlungen gerne feinsinnig gibt, zitiert er den Philosophen Jean-Jacques Rousseau: „Das Geld, das wir haben, ist das Mittel zur Freiheit, dasjenige, dem man nachjagt, das Mittel zur Knechtschaft.“

Zur Person

Rupert-Heinrich Staller wurde 1968 in Innsbruck geboren. Der „Tiroler Freiheitswille“ mache ihn aus, sagt er. Sein Geld verdient er als (streitbarer) Aktionär und mit Private Equity: Demnächst will er sich an einem Unternehmen für gesunde Ernährung beteiligen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2009)

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