Der Pfusch blüht: Wer braucht eigentlich eine Rechnung?

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Konsumenten, die zum Hinterziehen der Umsatzsteuer anstiften oder aktiv beitragen, machen sich strafbar. Schon die geringste Unterstützung, welche die Steuer-Hinterziehung fördere, komme als Tatbeitrag in Betracht.

WIEN. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten blüht der Pfusch: Was alle – selbstverständlich nur vom Hörensagen – ohnehin wissen, ist leicht erklärt. Kunden trachten, wo immer es möglich ist, Kosten zu sparen; Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit machen personelle Kapazitäten für Dienstleistungen ohne Rechnung frei. Weniger bekannt ist allerdings, unter welchen Umständen Pfuschgeschäfte für den Kunden finanzstrafrechtlich bedenklich sind. Das ist insofern nicht ungefährlich, als etwa bei Vorsatz des (Beitrags-)Täters einer Umsatzsteuerhinterziehung eine Strafe in Höhe des doppelten hinterzogenen Betrags droht.

„Brauchen S' a Rechnung?“: Diese Frage zu verneinen bedeutet noch lange nicht, sich haftbar zu machen. Schon deshalb, weil es im Verhältnis Unternehmer–Privater keine generelle steuerrechtliche Verpflichtung gibt, Rechnungen auszustellen, einzufordern oder entgegenzunehmen (anders ist die Lage zwischen Unternehmen). Lediglich bei „Werklieferungen“ und „Werkleistungen“ im Zusammenhang mit einem Grundstück muss der Unternehmer auch dem Nichtunternehmer eine Rechnung ausstellen. Nicht von ungefähr hieß das Gesetz, mit dem für diesen Bereich Rechnungen vorgeschrieben wurden, „Abgabensicherungsgesetz“, wollte man doch den gerade auf dem Bau beliebten Pfusch eindämmen. Die Reichweite der Bestimmung ist allerdings nicht ganz klar, wie Anja Cupal, Steuerberaterin und Prokuristin bei TPA Horwath, der „Presse“ erläutert. „Aus den Intentionen des Gesetzes ist meines Erachtens jedoch zu schließen, dass die Rechnungsausstellungspflicht sehr weit gesehen werden sollte“, so Cupal. „Sie wird praktisch jeden Professionisten auf dem Bau treffen.“ Keine Verpflichtung gelte hingegen, weil das Gesetz von Werklieferungen und -leistungen spreche, für reine Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Liegenschaft ohne Materialeinsatz: etwa Rechtsberatung oder Reinigung.

Unterstützen oder Ausnützen?

Für eine Haftung wegen Umsatzsteuerhinterziehung muss bei demjenigen, der „keine Rechnung braucht“, darüber hinaus untersucht werden, ob er einen Beitrag zur Tat geleistet hat. „Zu prüfen ist“, schreibt der Linzer Steuerberater und Finanzstrafrechtler Roman Leitner in der „Steuer- und WirtschaftsKartei“ (Nr. 6/2009), ob die Handlungsweise des Konsumenten „kausal für die Tat des unmittelbaren Täters in dem Sinn ist, dass die Tat ohne den unterstützenden Beitrag zumindest anders gelaufen wäre“. Schon die geringste Unterstützung, welche die Steuerhinterziehung fördere, komme als Tatbeitrag in Betracht.

Leitner hat in seinem kürzlich erschienenen Buch „Finanzstrafrecht 2008“ (Linde Verlag) eine Reihe von Fallkonstellationen rund um eine Kfz-Reparatur zusammengestellt, die von eindeutig unbedenklich bis ebenso eindeutig strafbar reichen.

•Auf Basis einer Rechnung, die vom Unternehmer in der Folge nicht verbucht wird, bar zu zahlen ist für den Kunden ebenso unproblematisch wie die Frage des Mechanikers „Brauchen S' a Rechnung?“ zu verneinen und ebenfalls bar zu zahlen (auch wenn der Umsatz „schwarz“ vereinnahmt wird).

•Etwas heikler ist die Lage, wenn der Kunde selbst schon vorsorglich sagt, er brauche keine Rechnung. Allerdings kann diese Aussage auf vielfältige Weise gedeutet werden, etwa auch so, dass der Kunde bereit ist, bar zu zahlen.

•Bei wohlwollender Deutung ambivalent ist sogar noch die Aussage eines Kunden, er erwarte sich bei Barzahlung ohne Rechnung einen Nachlass von fünf Prozent. Auch das muss noch keine Anstiftung zur USt-Hinterziehung sein, sondern kann auch die Hoffnung auf ein Skonto ausdrücken.

•Mehr als nur brenzlig wird es allerdings dann, wenn der Unternehmer und der Kunde den Preisvorteil, der sich aus dem „Einsparen“ der Umsatzsteuer ergibt, fein säuberlich besprechen und zum Inhalt ihrer Abrede machen: Sei es, indem der Mechaniker den höheren Preis inklusive Umsatzsteuer und einen entsprechend niedrigeren ohne zur Wahl stellt; oder sei es, dass der Kunde rundweg sagt, ohne Rechnung erwarte er sich einen um 16,67 Prozent reduzierten Preis.

„Sozialadäquanz“ als Grenze

„In diesen Fällen wird vielfach das stillschweigende oder sogar ausdrückliche Einverständnis über die abgestimmte deliktische Vorgangsweise nachweisbar sein“, schreibt Leitner. Der Unternehmer habe wirtschaftlich gar keine andere Wahl, als den Umsatz und den zugehörigen Gewinn „schwarz“ zu vereinnahmen. Die strafbare Unterstützung bei der Verschleierung der Umsätze/Einkünfte durch den Kunden liegt hier auf der Hand. Damit sind die Grenzen der „Sozialadäquanz“, also des Üblichen und auch rechtlich Akzeptierten, überschritten.

Ist ein Pfuscher allerdings von sich aus fest entschlossen, an der Steuer vorbeizuarbeiten, macht er sich zwar selbst strafbar; der Kunde braucht aber keine Sanktion zu befürchten. Leitner: „Einen Pfuscher zu beschäftigen, der steuerlich nicht registriert ist und der im Hinblick auf die gänzliche Nichtversteuerung seiner Einkünfte/Gewinne vollständig tatentschlossen ist, ist grundsätzlich unbedenklich.“

AUF EINEN BLICK

Pfuschgeschäfte. Private, die sich der Dienste eines bereits tatentschlossenen Pfuschers bedienen, machen sich finanzstrafrechtlich nicht haftbar. Stiften sie jedoch den Unternehmer bewusst an, droht auch ihnen eine Haftung bis zur doppelten Höhe der hinterzogenen Steuer. Wer den Unternehmer zur Schwarzarbeit drängt, überschreitet die Grenze der Sozialadäquanz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2009)

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