Dominic Thiem scheiterte in der zweiten Runde der French Open nach fast
vier Stunden Spielzeit. Nun rückt Jürgen Melzer in den Fokus.
Dominic Thiem hob dankend die Hand. Er verabschiedete sich vom Publikum, das ihm bei seinem Abgang von Court 3 lautstark Applaus spendete. Es waren Nuancen, die Mittwochnachmittag das Zweitrundenspiel zwischen Österreichs Nummer eins und Pablo Cuevas entschieden.
Nach 3:51 Stunden Spielzeit entlud sich die Erleichterung beim Uruguayer in Form eines lauten Schreis, sein 7:6 (7), 7:5, 6:7 (5), 7:5-Erfolg war für Spieler und Fans gleichermaßen nervenaufreibend. Thiem machte in der Endabrechnung nur einen Punkt weniger als Cuevas, zu selten aber gewann er entscheidende Ballwechsel.
Möglichkeiten hatte Thiem genügend, von seinen 22 Breakchancen verwertete der 21-Jährige allerdings nur zwei. Zudem unterlief ihm im Tiebreak des ersten Satzes beim Stand von 6:5 ein folgenschwerer Doppelfehler. Das gleiche Missgeschick war dem Niederösterreicher schon in seiner Auftaktpartie gegen den Briten Aljaz Bedene im Tiebreak des dritten Satzes beim Stand von 6:4 passiert. Der Südamerikaner erwies sich in dieser Hinsicht als weniger fehleranfällig und effizienter, er nutzte vier seiner neun Breakchancen.
Thiem kann trotz der bitteren Niederlage viel Zuversicht aus den vergangenen Wochen schöpfen. Nach einem misslungenen Saisonstart gewann er zuletzt in Nizza sein erstes ATP-Turnier, in Paris fehlte nicht viel zum erstmaligen Einzug in Runde drei.
Der nächste Höhepunkt für Thiem heißt Wimbledon (ab 29. Juni), zuvor spielt er auf Rasen die Vorbereitungsturniere in Stuttgart, Halle und Nottingham. Punkte hat er aus dem Vorjahr keine zu verteidigen, einem weiteren Vorstoß in der Rangliste stünde also nichts im Weg. „Ich kann auf Rasen locker drauflos spielen.“
Melzer letztes Einzel-Ass
Während Thiem seine besten Jahre gewiss noch vor sich hat, befindet sich Jürgen Melzer auf der Zielgeraden seiner langen Karriere. In Paris bestreitet der Routinier sein 51. Grand-Slam-Turnier, für seinen 13 Jahre jüngeren Landsmann war es erst Auftritt Nummer sechs auf der großen Bühne.
Nach einer bislang enttäuschend verlaufenden Saison war der Auftaktsieg über Adrian Mannarino in Roland Garros Balsam für Melzers strapazierte Seele. „Es ist schön zu sehen, dass man es nicht ganz verlernt hat“, sagt der 34-Jährige, der heute auf den Russen Andrey Kuznetsov trifft. Sollte der Linkshänder auch diese Hürde nehmen, erwartet ihn in Runde drei wohl ein Duell mit dem neunfachen French-Open-Champion Rafael Nadal.
Die sportliche Uhr tickt
Doch so weit will Melzer nicht denken, er konzentriert sich auf die Gegenwart. Seit 1999 hat der Linkshänder 666 Spiele auf der ATP-Tour bestritten, dabei eine leicht positive Matchbilanz. Im laufenden Jahr wurde Melzer mit Erfolgserlebnissen nicht verwöhnt, der Sieg über Mannarino war erst der sechste Sieg 2015.
Dass die sportliche Uhr immer lauter zu ticken beginnt, ist ihm bewusst. „So viel Ältere als mich gibt es nicht. Ich weiß, dass ich keine fünf French Open mehr spielen werde“, sagt die einstige Nummer acht der Weltrangliste. Melzer ist dankbar für Momente wie er sie dieser Tage in Paris erlebt, er genießt sie in vollen Zügen.
Wie lange er dem Tennis als Aktiver noch erhalten bleibt? Melzer kennt die Antwort auf diese Frage nicht. Ein Ziel sei das olympische Doppel in Rio 2016 an der Seite von Alexander Peya. Melzer sagt: „Ich höre dann auf, wenn ich aufhören will. Ich muss niemandem etwas beweisen.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.5.2015)