Aserbaidschan: Kaviardiplomatie und Daumenschrauben

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Präsident Alijew will die Beziehungen zum Westen verbessern. Das lässt er sich einiges kosten - Kritik an der prekären Lage der Menschenrechte stört.

Wien/Washington. Es hätte ein großes Fest unter europäischen Freunden werden sollen, ohne lästige Kritik und unappetitliche Details über Verstöße gegen die Menschenrechte. Mit den ersten Europa-Spielen, die am Freitag beginnen, wollte sich Aserbaidschan nach dem Eurovision Song Contest 2012 zum zweiten Mal groß in Szene setzen. Doch jetzt überschattet eine neue diplomatische Krise das Großevent – und die Kritik an der Regierung in Baku wird immer lauter.

Aserbaidschan hat vor einigen Tagen unvermittelt erklärt, das Büro der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) in Baku zuzusperren. Der Schritt sei „völlig überraschend“ gekommen, sagt Österreichs OSZE-Botschafter Christian Strohal der „Presse“. US-Vertreter Daniel Baer wertete die Ankündigung sogleich als Bestätigung dafür, dass Aserbaidschan seine internationalen Verpflichtungen wie Menschenrechte und fundamentale Freiheiten immer weniger erfülle. Er sei „tief enttäuscht“.

„Einmischung von außen“

Aserbaidschans Botschafter Galib Israfilov sprach gegenüber der „Presse“ dagegen von Versuchen einiger „großer Länder“, sich einzumischen. Es sei Druck auf den OSZE-Vertreter in Baku ausgeübt worden, damit dieser eine „kritische Einschätzung“ der Lage im Land abgebe.

Hintergrund der Krise ist das immer härtere Vorgehen des Regimes von Präsident Ilham Alijew gegen Kritiker und Aktivisten. Dutzende von ihnen sitzen in aserbaidschanischen Gefängnissen, darunter der Bürgerrechtler Rasul Jafarow und die Radiojournalistin Khadija Ismailova. Europaparlamentarier aller Fraktionen forderten vergangene Woche deshalb einen Boykott der Spiele, bis „alle Menschenrechtler, Oppositionellen, Aktivisten, Journalisten und politischen Gefangenen aus der Haft entlassen sind“. Der Sportsonderbeauftragte von UN-Chef Ban Ki-moon, Willi Lemke, ließ sich zu der undiplomatischen Bemerkung hinreißen: „Aserbaidschan ist ohne Frage eine Diktatur.“

So etwas will Baku aber nicht hören und reagiert zunehmend empfindlich auf Kritik von außen. Vertretern von Amnesty International verweigerten die Behörden am Dienstag die Einreise zu den Europa-Spielen: Sie wollten dort auf die prekäre Menschenrechtslage aufmerksam machen. Die Zurufe aus dem Ausland untergraben die eigentliche Agenda der Regierung in Baku.

Luxuriöse „Studienreisen“

Denn während Alijew daheim die Schrauben fester anzieht, versucht er in Europa und den USA, das Image seines Regimes zu polieren. Um enorme Summen laden die Aseris westliche Politiker zu luxuriösen „Studienreisen“ nach Baku, von denen sie mit Seidenteppichen und anderen teuren Geschenken heimkehren, engagieren ehemalige Minister und Parlamentarier als Lobbyisten und untergraben die Wirksamkeit internationaler Menschenrechtsstandards. In Österreich vertritt der Wiener Anwalt Gabriel Lansky, der auch die kasachische Regierung zu seinen Klienten zählt, die Interessen Bakus.

Den Aseris geht es bei diesem PR-Aufwand um vier Dinge: die Opposition im eigenen Land, ein US-Gesetz, das Technologieexporte nach Aserbaidschan strengen Auflagen unterwirft, die westlichen Märkte für aserisches Erdgas und den eingefrorenen Konflikt mit Armenien um Bergkarabach. „Damit haben sie alle Puzzlestücke beisammen“, sagt Audrey Altstadt im Gespräch mit der „Presse“. Die Geschichteprofessorin an der University of Massachusetts, Amherst, beschäftigt sich seit den 1980er-Jahren mit Aserbaidschan. In den vergangenen Jahren beobachtete sie einen starken Anstieg der Ausgaben für Lobbying im Westen: „Das war enorm. Es schien fast, als seien diese Lobbyingbemühungen eine Vorbereitung für die Verschlechterung der Menschenrechtslage gewesen, die wir ab 2014 sahen. Das war ein schlimmes Jahr für die Menschenrechte in Aserbaidschan, vor allem die vergangenen sechs Monate. Und es geht so weiter. Das Regime fühlt sich ständig bedroht, sogar von jungen Leuten, die bloß im Internet bloggen.“

In Washington ist das kleine Aserbaidschan zu einem der großzügigsten staatlichen Financiers von Lobbyfirmen sowie ehemaligen und amtierenden Politikern geworden. Im Jahr 2013 gab die Regierung in den USA 2,3 Millionen Dollar (zwei Millionen Euro) aus, ergibt eine Statistik der Sunlight Foundation, einer Organisation, die sich um finanzielle Transparenz in der US-Politik bemüht. Damit lagen die aserischen Ausgaben vor der Türkei, Japan und Indien. „Das hat uns ziemlich überrascht“, sagt Peter Olsen-Phillips, einer der Sunlight-Forscher. Dabei handelt es sich bei dieser Summe nur um die gesetzeskonform registrierten Lobbyingausgaben. Wie viel Geld Alijew diskret über Socar und diverse, vor allem in Houston, der Welthauptstadt der Ölindustrie, angesiedelte Wohltätigkeitsvereine zur Propagandaarbeit fließen lässt, ist mangels Dokumentation nicht zu ermitteln. Manchmal überspannen die aserischen Lobbyisten und die von ihnen umschmeichelten Politiker den Bogen. Im Mai enthüllte die „Washington Post“ eine Reise von zehn Mitgliedern des US-Kongresses sowie 32 ihrer Mitarbeiter und mancher Lebens- und Ehepartner nach Baku, die von Socar bezahlt wurde.

Die Amerikaner erhielten die Reisekosten erstattet und wurden mit Seidenschals, Teeservices aus Kristallglas sowie Teppichen im Wert von 2500 bis 10.000 Dollar überhäuft. Allein die Flugtickets kosteten 112.899 Dollar. In Summe hat Socar laut diesem Bericht eine Dreiviertel Million Dollar zwecks Verschleierung durch diverse Wohltätigkeitsorganisationen geleitet.

Alijews Kaviardiplomatie wirkt, wie Gerald Knaus von der European Stability Initiative in der aktuellen Ausgabe des „Journal of Democracy“ darlegt. Aber sie wirke nur, weil der Westen sich damit auch einkochen lasse: „Wer internationalen Menschenrechtsmechanismen gleichgültig oder feindlich gesinnt ist, dem bedeutet deren Geiselnahme durch kleine autokratische Regime wenig.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2015)

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