Ukraine: Spindelegger laufen die Promis davon

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Ex-Vizekanzler Spindelegger stellte einer skeptischen Öffentlichkeit in Kiew Dimtri Firtaschs Agentur zur Modernisierung der Ukraine vor. Zuvor war Peer Steinbrück (SPD) abgesprungen.

Wien/Kiew. Viel Zeit bleibt Michael Spindelegger nicht mehr, um die Ukraine auf Vordermann zu bringen. Innerhalb von 200 Tagen sollte der ehemalige Außen- und Finanzminister einen Masterplan für das Bürgerkriegsland vorstellen. So wünschte es der Initiator und Financier des Projekts: der ukrainische Oligarch Dimtri Firtasch.

Fast 100 Tage sind seither verstrichen, mittlerweile haben einige prominente Arbeitsgruppenleiter den Glauben in die Agentur zur Modernisierung der Ukraine verloren: Der ehemalige deutsche CDU-Verteidigungsminister Rupert Scholz (1988/89) sprang ebenso ab wie der Brite Lord Peter Mandelson, von 2004 bis 2008 EU-Handelskommissar. Und am Dienstag gab Peer Steinbrück seinen Rückzug bekannt; der frühere SPD-Finanzminister hätte Reformideen für den ukrainischen Steuer- und Finanzbereich einbringen sollen, kam jedoch nach drei Monaten der Kontemplation zum Schluss, dass diese Aufgabe unvereinbar mit seinem Bundestagsmandat sei.

Doch Spindelegger, den Präsidenten des Vereins, kann das nicht erschüttern. Steinbrück sei nur einer von sieben Arbeitsfeld-Leitern, es werde rasch ein Nachfolger präsentiert, versicherte der Agentur-Sprecher Bernhard Schragl im Telefonat mit der „Presse“.

Gemeinsam mit dem ehemaligen EU-Erweiterungskommissar Günther Verheugen (SPD) stellte Spindelegger am Mittwoch in Kiew bei einer Pressekonferenz den Fahrplan der Agentur zur Modernisierung der Ukraine vor. Es soll viel gesprochen werden in den nächsten Wochen: mit ukrainischen Politikern, mit Experten und – ganz wichtig – mit Vertretern der Zivilgesellschaft. Ab dem 18. Juni stehen Runde Tische in der Ukraine, an denen etwa der polnische Ex-Premier Wlodzimierz Cimoszewicz Anregungen für den Kampf gegen Korruption sammeln will. Der französische Ex-Außenminister Bernard Kouchner soll Ezzes für den Gesundheitssektor geben, Verheugen für die EU-Integration, Polens Ex-Premier Waldemar Pawlak für die Wirtschaft, Lord Macdonald in Sachen Rechtsstaatlichkeit und der deutsche Professor Otto Depenheuer für Verfassungsfragen. Im September möchte Spindelegger sein Modernisierungsprogramm dem Parlament in Kiew überreichen.

Vom Fonds, der mit magischer Hebelwirkung laut Firtasch bis zu 300 Milliarden Dollar für die Ukraine aufstellen sollte, ist derzeit keine Rede mehr. „Das waren Fantasiezahlen“, sagt Schragl. Um den Fonds werde sich die Agentur erst nach dem Herbst kümmern.

Agentur zur Imagepolitur

Die Ukrainer sind skeptisch, auch in der Regierung. „Bei uns ist die Agentur nie vorstellig geworden“, sagte Außenminister Klimkin neulich lapidar zu österreichischen Journalisten. Die ukrainische Lesart: Firtasch habe mit der Modernisierungsagentur bloß sein Image aufpolieren wollen. Möglicherweise ist der Zweck der Übung bereits erfüllt: Am 30. April lehnte ein Wiener Gericht einen US-Antrag zur Auslieferung Firtaschs ab. (cu)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2015)

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