Die Sex-Geschäfte der Blauhelme

(c) EPA (STEPHEN MORRISON)
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Ein interner Bericht zeigt das Ausmaß an sexuellem Missbrauch in Friedensmissionen. Das Problem wurde lange ignoriert.

New York/Wien. Sex gegen Geld, Essen, Kleider, Handys oder Schmuck – das scheint laut einer UN-Untersuchung gängige Praxis in Friedensmissionen zu sein. Zu diesem Schluss kommt das interne Aufsichtsbüro der Vereinten Nationen in einer neuen Studie, deren Entwurf internationalen Nachrichtenagenturen zugespielt wurde. Allein die Auswertung von zwei der 16 Friedensmissionen weltweit, Haiti und Liberia, ergab, dass sich hunderte Frauen im Austausch für Bargeld oder Güter für Blauhelmsoldaten prostituierten.

480 Fälle von sexueller Ausbeutung und Missbrauch sind laut dem Bericht von 2008 bis 2013 gemeldet worden, ein Drittel davon betraf Kinder. Etwa vier Fünftel der Fälle beziehen sich auf vier Missionen: in Haiti und Liberia, außerdem in der Demokratischen Republik Kongo und im Südsudan. Die Dunkelziffer könnte laut den Vereinten Nationen noch viel höher liegen.

Erst im Frühjahr war bekannt geworden, dass französische Soldaten der Friedensmission in Zentralafrika Kinder in einem Flüchtlingscamp sexuell missbraucht hatten; ein frustrierter UN-Mitarbeiter brachte den Fall an die Öffentlichkeit, weil die UNO auf die Vorwürfe nicht reagierte. Verdächtigt werden auch Blauhelme im Tschad und in Äquatorialguinea.

Endlose Liste der Ausbeutung

Der Fall ist nur der letzte in einer langen Liste an Skandalen, die sexuelle Ausbeutung durch Blauhelmsoldaten belegen. Passiert ist wenig. Ein Bericht der Weltorganisation sprach im Frühjahr von einem „Gefühl der Straflosigkeit“ in den Missionen, viele Missbrauchsvorwürfe würden gar nicht untersucht. Bekannt ist das Problem seit vielen Jahren. Während der Mission in Kambodscha Anfang der 1990er-Jahre wurden exzessive Bordellbesuche von Blauhelmsoldaten bekannt, ein hochrangiger UN-Vertreter kommentierte das lapidar mit den Worten: „Buben bleiben Buben.“ In Bosnien besuchten UN-Soldaten nicht nur die Bordelle der Kriegsparteien, sondern beteiligten sich auch am Menschenhandel. Dokumentiert sind zudem schwere Fälle aus Guinea, der Côte d'Ivoire, Sierra Leone, Burundi und Osttimor – um nur einige zu nennen.

Für die Untersuchung der Vorwürfe sind in erster Linie die Staaten verantwortlich, die die Soldaten entsandt haben. Im Falle Zentralafrikas hat Frankreich angekündigt, die Fälle auch „ohne Gnade“ verfolgen zu wollen. Im Verlauf des Juni will eine UN-Expertengruppe einen Bericht zur notwendigen Reform der Missionen vorlegen, in dem auch diese Probleme thematisiert werden dürften. (raa/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2015)

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