„Jede Schule hat ihre eigene DNA“

Bildungsbauten. Formale Gestaltungskonzepte orientieren sich zunehmend an den neuen Lehrmethoden.

Schuldiskussion einmal anders: Auch für die formale Gestaltung von Schulen gibt es neue Ideen, die nicht immer sofort breite Zustimmung finden. Denn für fortschrittliche Planer und Bauherrn ist der einstige Standard im Schulbau – ein langer Gang mit aneinandergereihten Klassenräume mit jeweils einem Lehrerpodium an der Stirnseite – absolut nicht mehr zeitgemäß: „Eine moderne Schule ist in übersichtlichen und flexiblen Raumgruppen organisiert“, meint etwa Christoph Karl vom Architekturbüro Karl & Bremhorst.

Drei bis fünf Unterrichtsräume und nach Möglichkeit ein Arbeitsbereich für den Lehrer werden nach diesem Konzept um eine Art Marktplatz mit Sitzplätzen, Abstellflächen und Garderoben gruppiert. Im Idealfall, so der Architekt weiter, „sind die Unterrichtsräume mit Schiebewänden oder verglasten Flächen zum gemeinsamen Platz in der Mitte offen, zusätzlich gibt es bei der Klasse noch eine Terrasse oder einen Ausgang in den Garten“. Gelernt wird dann überall: in der Klasse, in der gemeinsamen offenen Lehrzone und mitunter im Freibereich. Mit Materialien wie Holz, Glas und Naturstein versucht Karl, der unter anderem das Bildungszentrum im oberösterreichischen Pregarten geplant hat, den Unterrichtsräumen wohnlichen Touch zu geben.

Anderes Arbeiten, neue Raumkonzepte

Für Oberstufen und berufsbildende höhere Schulen wird auf ein anderes Konzept gesetzt: das Fachgruppen- oder Departementsystem. „Man geht weg vom klassischen Stammklassenprinzip, die Schüler sind unterwegs in Fachabteilungen etwa für Naturwissenschaften oder Sprachen, dazu gibt es eine sogenannte Homebase für selbstständiges Arbeiten, aber auch zum Relaxen“, erzählt Karin Schwarz-Viechtbauer, Direktorin des Österreichischen Institutes für Schul- und Sportstättenbau ÖISS.

Der Trend zur grundlegenden Veränderung bei der Schularchitektur zeigt sich seit ungefähr acht Jahren, berichtet die Expertin: „Im Zuge der Bildungsdiskussion hat man erkannt, dass in der Schule anders gearbeitet und gelernt werden muss und der Raum dabei eine entscheidende Rolle spielt.“ Mittlerweile sind bereits einige Prototypen entstanden, die den Trend in diese Richtung verstärken. Das ist wichtig, denn auch die neuen Ideen für die Schularchitektur stoßen nicht überall auf Anhieb auf Begeisterung: „Wir merken, dass realisierte Projekte Vorbildwirkung haben, anderen Mut machen, auch auf diese neue Form der Schularchitektur zu setzen“, sagt Schwarz-Viechtbauer.

Von oben verordnen ließe sich die formale Gestaltung einer Schule allerdings nicht, meint Roland Gruber vom Architekturbüro Nonconform: „Jede Schule hat ihre eigene DNA“, erzählt er. Nur mit intensiver Nutzerbeteiligung im Vorfeld unter Einbeziehung von Schülern, Eltern, Pädagogen, Schulverwaltung und Bauherrn der öffentlichen Hand sei es möglich, diese gelebte Struktur in ein Bauwerk umzusetzen.

Multifunktionale Gebäude

Verwirklicht hat der Architekt ein solches Beteiligungsmodell beim Bildungszentrum Donawitz in Leoben. Hier galt es, drei bestehende Pflichtschulen in ein gemeinsames Gebäude zusammenzulegen und für diese spätgründerzeitliche Gangschule schultypenübergreifende und schultypenneutrale Raumkonzepte zu entwickeln. „Durch die intensive Arbeit im Vorfeld waren die Beteiligten bereit, über viele Hürden zu springen und sich auf neue Dinge einzulassen“, berichtet Gruber. Die Begleitung seines Büros – er nennt sie „inhaltliche Projektsteuerung“ – reicht von der Planungsphase über den Bau bis zum Bezug der neuen Schule, deren Fertigstellung für 2016 geplant ist.

Multifunktionalität heißt ein weiterer Trend. Das vor allem im ruralen Bereich oft den Ort dominierende Schulgebäude soll nicht den Großteil des Tages und während der langen Ferien leer stehen, sondern durch verschiedenste Nutzungen möglichst viele Stunden belebt sein. Architektin Hemma Fasch hat ein solches Konzept im Schul- und Kulturzentrum Feldkirchen realisiert. In dem neu geschaffenen Gebäudekomplex, der auch sanierte Teile einer bereits bestehenden Schule beinhaltet, finden sich Volksschule, Neue Mittelschule, eine Musikschule, eine öffentliche Bibliothek und ein großes Veranstaltungszentrum für mehrere hundert Menschen. Erwachsenenbildung findet in den Schulräumen ebenfalls statt.

„Die Schule wird zu einem Bildungsort, zu einem Zentrum der Gesellschaft“, sagt die Architektin. Kinder sehen, dass Erwachsene in dieselbe Bildungsstätte gehen, Eltern lernen die Schulräume der Kinder auch abseits von Sprechtagen kennen und wirtschaftliche Vorteile gebe es auch: „Verschiedenste Bereiche wie Eingang, Küche, Speisesaal oder Bibliothek werden gemeinsam genutzt, das bringt hohe Synergieeffekte“, gibt sie sich überzeugt. Bedarf an Neubauten und Modernisierungen ist nach wie vor gegeben, meintz Schwarz-Viechtbauer vom OISS: „Es gibt starke demografische Verschiebungen, in Wien oder Graz besteht beispielsweise großer Bedarf.“ In Gemeinden mit sinkenden Schülerzahlen wiederum stelle sich die Aufgabe, mehrere Schultypen in einem Gebäude zu bündeln. Und so manche Gemeinde wünscht sich von Planern Vorschläge für ein mehr oder weniger umgekehrtes Ziel: Leer stehende Schulgebäude sollen einer neuen Nutzung zugeführt werden. In vielen ländlichen Regionen werden Schulen aufgrund dramatisch sinkender Schülerzahlen nicht mehr benötigt. Abriss wäre eine schlechte Lösung, denn sie sind meist örtlich dominante Bauwerke, mit denen die Bevölkerung viele Erinnerungen verbindet. Eine Lösung, die bereits mehrfach realisiert wurde: Die Schule wird zum Altersheim. So kommen manche Senioren im hohen Alter wieder in jenes Haus zurück, das auch in ihrer Kindheit eine wichtige Rolle gespielt hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Open House Wien

80 Häuser


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.