Poesie & Komik: Von Lachen bis Fluchen

(c) Jacques Palminger
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Poesie kann mehr sein als das gedruckte Wort, Komik mehr als Kabarett und Comedy-Show: Das Festival Quo vadis bodypainting? lotet mögliche Arten poetischer Komik aus.

Kapitän Gustav und seine Mannschaft aus Mensch und Tier, darunter ein Bär als Erster Offizier, stranden mit ihrem Schneckenschiff an einer geheimnisvollen Insel. In deren bonbonbunten Märchenwelt müssen sie gegen Gustavs einstigen Freund, den despotischen Insel­diktator Knuffi kämpfen. Wenzel Storchs „Die Reise ins Glück“, Teil drei seiner Filmtrilogie, ist ein psychedelischer Abenteuer-Trip. Hört sich zum Lachen an? Storchs Filme und andere Ausprägungen schräger Komik gibt es demnächst beim Festival Quo vadis bodypainting? im Literaturhaus Wien und Top Kino zu sehen.

„Ich stehe auf Durchgeknalltheiten“, sagt Festival-Kurator und Journalist Fritz Ostermayer, der sich in seiner Funktion als Leiter der Schule für Dichtung für die Veranstaltung auf die Suche nach dem Komischen in der Poesie gemacht hat. Gefunden hat er es dank seinem Unwillen, Poesie entlang der Grenze zwischen billig und gehoben zu trennen – „ich lache von der ,Nackten Kanone 1, 2, 3‘ bis zu Thomas Bernhard“ – und dank des erweiterten Poesiebegriffs der Schule für Dichtung, der nicht nur Geschriebenes umfasst, in der E-Kategorie ebenso wie im Trash, nicht nur in der Literatur, sondern auch in Performances, Video, Akustik oder eben Film.

Komik durch Taten. Dem erweiterten Poesie­begriff ist es geschuldet, dass nun ein tagefüllendes Festival starten kann. Literatur allein biete viel zu selten Komisches: „Der Grundgedanke ist: Wann musste ich das letzte Mal tatsächlich bei einem Buch sehr lachen? Wissend, dass die Welt nicht zum Lachen ist, lache ich trotzdem gern, witzig erzählte Geschichten mit Pointen fehlen mir aber“, so Ostermayer. Denn Autoren müssten immer etwas zu sagen haben, das eine Schwere in sich trage: „Sie wollen schnell einen guten, großen Verlag haben, und du kriegst im deutschen Sprachraum mit Humor keinen Fuß in die großen Verlage rein. Du musst mindestens den Nazismus deines Opas aufarbeiten.“

Geht es nach Ostermayer, muss Literatur gar nichts – „sie kann in sich vernebelter Selbstzweck sein“, Künstler sollen auch eine poetische Existenz im Geiste H. C. Artmanns leben können, nicht nur zielgerichtet produzieren: „Doch das erlaubt der Neo-Liberalismus fast nicht mehr.“ So herrsche in der Literatur Humorlosigkeit vor, während Witziges TV-Comedians und dem Kabarett vorbehalten bleibt – ganz schlechter Humor, nach Ostermayer. Ist aber guter Humor in unserer Gesellschaft wichtig? Ja, sagt Ostermayer und „missbraucht wider besseren Wissens“, wie er unterstreicht, einen Satz Nietzsches als Durchhalteparole: „Wir müssen die Dinge lustiger nehmen, als sie es verdienen, zumal wir sie lange Zeit ernster genommen haben, als sie es verdienen.“ Auch bei Robert Gernhardt bedient sich der Kurator: Humor als Haltung, Dinge nicht zu ernst an sich heranzulassen, sei „eigentlich eine gute Strategie in schlechten Zeiten“. Komik als Handlung sei Inspiration für die Umsetzung des Festivals gewesen: „Die Komik entsteht dann durch die Taten, Zeichen oder Sätze unserer Gäste.“ Die „sehr subjektive Schau des möglichen Humors“, wie er sein Programm nennt, zeigt, dass in Nischen, in denen man sich ausprobieren kann, auch in der heutigen Zeit vielfältige, poetische Komik entstehen kann.

Wie verschieden aber Vorstellungen von guter Komik sind, weiß Ostermayer: „Es gibt hunderte Humortheorien. Allen ist eigen, dass man dabei kein einziges Mal grinsen kann.“ Deswegen soll das Festival kein Theoriediskurs, sondern Praxis sein – zwei Vorträge fehlen dennoch nicht: Klaus Nüchterns Impulsreferat über Doderers „Die Merowinger“, weil dies einer der „lustigsten Romane der Weltgeschichte“ sei; der Vortrag des Literaturwissenschaftlers Johannes Ullmaier, weil dieser „fröhliche Wissenschaft“ betreibe. Ostermayer kennt dessen komische Auftritte als „mad scientist“ bereits. Fragt man Ullmaier selbst nach dem Vortrag, wird klar, dass er wohl nicht nur lustig sein kann, sondern auch inhaltlich viel zu sagen hat: etwa über die Ambivalenz der Narrenfigur oder die doppelsinnige Wirkung von Humor, zwischen Verlachen und öffnendem Lachen über Zwänge hinweg, als Input für Kreativität: „Die interessanten Fälle sind die, wo es nicht so klar ist. Es gibt zu jeder Zeit eine Komik-Norm. Ostermayer hat eher die Abweichler von dieser versammelt, gerade das könnte es interessant machen.“

Monströs poetisch. Ostermayer hat für das Festival Ambivalentes und Ungleichartiges versammelt: „Die Idee, dass Erhabenes ins Lächerliche kippt, gefällt mir sehr gut.“ So werden die Altphilologen von Die Gruppe zeigen, dass es im Altgriechischen nicht nur Sophokles und Co., sondern auch Schund­romane gab; der Sounddesigner Mario Wienerroither, dass Lautdichtung, Poésie sonore, auch im Popvideo zu finden ist. Und Wenzel Storch wird vorführen, dass auch No-Buget-Filme „monströs poetisch“ sein können. Mit jedem Beitrag wächst das Poesie-Spektrum: Während Autor Johannes Witek mit seinem Roman „Voltaires Arschbacken“ der Satire frönt, wird Supatocheckerbunny Ulrike Sterblich mit ihrem schrägen Blick auf Alltägliches eine „Poesie des Grinsens“ bieten, Ella Carina Werner eine „Poesie des Fluchens“: Die Titanic-Autorin wird ihre pseudo-ethnologische Abhandlung über Fluchen am Balkan lesen. Dann ist da noch Jacques Palminger: Das Mitglied des skurrilen Trios Studio Braun (mit Heinz Strunk, Rocko Schamoni) kommt solo nach Wien, seine Performance wird „zum Fremdschämen, zum Lachen und vielleicht auch ein bisschen zum Fürchten sein“, ahnt Ostermayer, der Palminger gern mit Buster Keaton vergleicht. Palmingers Selbstporträt mit Ganzkörper-Bodypainting hat Ostermayer übrigens zum Festival-Titel inspiriert, wieder erfreut an dessen Ambivalenz: „Dieser Bruch hat mir gefallen, das bildungsbürgerliche Quo vadis, dazu das Bodypainting – eigentlich Nonsense.“

Tipp

Quo vadis bodypainting? Festival für Poesie & Komik, eine Kooperation von der Schule für Dichtung, dem Literaturhaus Wien und dem Top Kino,
19. bis 22. Juni.

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