Mit Pauken und Trompeten

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Serbia Madness: Damit wirbt das Guča-Festival für seinen Blechbläser-Wettbewerb. Und tatsächlich: Lärm macht Hunderttausende glücklich.

Guča. Noch ist es fast ruhig. Nur vereinzelt hallen ein paar Trompetenklänge durch die Gassen. Die meisten Bands beginnen erst am späten Nachmittag damit, ihre Instrumente zu schultern und durch die beiden Hauptstraßen des Ortes zu marschieren, um „Lärm“ zu machen. Meist melodisch, manchmal schrill, irgendwann ohrenbetäubend, aber ansteckend. Ein Lärm, der glücklich macht. Vor allem junge Leute unter 30 zieht es Anfang August in den für den Rest des Jahres eher verschlafenen 3000-Seelen-Ort am Rande der größten Himbeerregion Serbiens drei Autostunden südlich von Belgrad.

Am 14. Oktober 1961 fand die erste Veranstaltung im Hof der orthodoxen Kirche mit gerade einmal vier Orchestern statt. Sie sollte nur einen Nachmittag dauern, endete aber erst nach vier Tagen. Seitdem wuchs sie kontinuierlich zum größten Blechblasfestival Europas. Dieser ganz besondere Sound von Dragacevo, der den westlichen Besuchern aus Filmen des serbischen Regisseurs und Musikers Emir Kusturica bekannt ist („Underground“, „Schwarze Katze, weißer Kater“ und „Das Leben ist ein Wunder“), oder sie kommen einfach, weil sie irgendwann mal gehört haben, dass es auch in Serbien ein Woodstock gibt.

So wie Laurent, der junge Franzose mit der Baskenmütze, der aus Bordeaux angereist ist und wie viele andere Jugendliche im Zelt am Fluss campiert. Dort den Tag bis zum nächsten Abend verschläft. Denn gejubelt, geklatscht, getanzt und Bier getrunken wird bis in den frühen Morgen. Ein wenig bequemer erholt man sich in einem der Privatquartiere. Während der Guča-Woche vermieten die Einwohner jedes verfügbare Bett und Sofa.

In den wenigen Straßen des Ortes reihen sich Restaurants und Zelte dicht aneinander. Spanferkel drehen sich auf langen, quietschenden Spießen über dem Feuer, in das der Saft tropft, während der Rauch die Hungrigen einnebelt. Auf glühenden Kohlen stehen überdimensionale Tontöpfe, in denen Weißkohl köchelt. Gefertigt werden die XXL-Tonwaren im 40 Kilometer entfernten Dorf Zlakusa. Mittlerweile spielt an jeder Ecke irgendeine Band. Die Trompeter-Statue in der Ortsmitte ist Treffpunkt der tanzenden und grölenden Jugend. Ein Ruhepol hingegen die Ausstellung über die Geschichte des Festivals und die Gewinner der letzten 50 Jahre in der Kulturhalle nebenan. Draußen in der flirrenden, 35 Grad heißen Luft geben die meisten Trompeter inzwischen ihr Bestes.

Tuba links, Trompete rechts

Wer ein Ständchen möchte, der stopft ein paar Geldscheine in die Trompete oder in die Brusttasche des Musikanten. Manchmal spielen mehrere Orchester gleichzeitig in einem Zelt. Dann dröhnt ins linke Ohr die Tuba, ins rechte die Trompete. Egal. „Madness, made in Serbia“, ruft Bojan Ivković, der seit zwanzig Jahren als begeisterter Fan aus Belgrad anreist.

„Die meisten Gruppen stammen aus Serbien und anderen Balkanstaaten“, sagt der 48-Jährige: „Ihre Musik ist fester Bestandteil bei Familienfeiern und sonstigen Festen.“ Wer in Guča die goldene Trompete gewinnt, der braucht sich um Aufträge dieser Art und um internationale Auftritte keine Sorgen mehr zu machen. In manchen Jahren nehmen auch Gruppen aus Polen, Italien, Belgien und Skandinavien an den Wettbewerben teil, die allabendlich in der Fußballarena stattfinden. Obwohl die Bands einen Hauch von „Musikantenstadel“ verbreiten, tobt die Menge wie bei einem Rockkonzert. Hände, Fahnen und Fähnchen wirbeln durch die Luft.

„In sieben Minuten muss jedes Orchester sein Bestes geben und drei Stücke aus seiner Region vortragen“, erklärt Bojan. Sieben Tage dauert das Festival. Die Sieger werden samstagabends auf der Stadionbühne gekürt. 2014 gewann die serbische Brass Band Dejan Jevđić, die goldene Trompete gewann Lokalmatador Goran Ranković aus Guča. Am Sonntag folgen dann Kater- und Aufbruchstimmung. Die Einwohner widmen sich wieder der Himbeerernte und warten – bis er wieder da ist, dieser Lärm, der so glücklich macht.

IM AUGE DES BLECHBLÄSER-ORKANS

Anreise:

Wien – Belgrad – Wien nonstop mit Austrian Airlines. austrian.com.

Guča-Festival 2015: 3.–9. August:

guca-festival.com; guca.rs/ger/

Eine sechstägige Reise zum Guča-Festival bietet Schneewittchen Reisen an. +49/30 21969272, schneewittchenreisen.de, Preis exkl. Flug, fünf Übernachtungen in Privatquartieren in Guča, Transfer Belgrad/Guča und zurück, deutschsprachige Betreuung vor Ort ab 415 € im DZ, Ausflüge in die Umgebung, z.B. mit der Schmalspurbahn Sargan 8 vor Ort buchbar.

Quartiere: Wer auf eigene Faust zum Festival reisen möchte, findet Privatunterkünfte über folgende Internetadresse accommodationguca.com.


Restaurants:
Auf dem Festival gibt es ausreichend Stände mit Spanferkel, Lamm, Eintöpfen, Snacks und Getränken.

Allgemeine Auskünfte: Nationale Tourismusorganisation Serbiens

+381/116557100, serbia.travel (deutsche Seite aufrufbar)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2015)

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