Das Spiel um Krieg und Frieden

Das IOC fördert den Sport, falls das Geschäft auf dem Weltmarkt dadurch nicht gefährdet wird.

Vor wenigen Tagen hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) zum Ingrimm von Menschenrechtsorganisationen, kritischer Journalisten und Sportler Peking zum Austragungsort der Winterspiele 2022 erkoren. Um Geschäftsentscheidungen des IOC wie die Kooperation mit dem chinesischen Unterdrückungsregime zu verstehen, muss man nicht wissen, wer Jack Welch war. Aber es hilft.

Der legendäre CEO von General Electrics (GE) hat mit den Sommerspielen 1988 in der südkoreanischen Hauptstadt, Seoul, die Ära des großen TV-Geldes für die Olympier eingeläutet. Seit damals lebt die olympische Bewegung im Wesentlichen von den Erlösen aus dem US-Markt.

Welch (geboren 1935, CEO von 1981 bis 2001), ein gelernter Chemiker, hat den Mischkonzern GE groß gemacht und gilt in den USA als Manager des Jahrhunderts. Die Verbindung zum Olympismus schloss er, als GE 1986 das nationale TV-Netzwerk NBC erwarb. Die Übertragung der Olympischen Sommerspiele gehörte zu einem überaus erfolgreichen Relaunch des Netzwerks.

Der frühere Franco-faschistische Karrierist Juan Antonio Samaranch (IOC-Präsident 1980–2001) öffnete dem IOC mit Welchs Hilfe den Zugang zu den globalen Konzernen der Massengüterindustrie. Coca-Cola hat sogar einmal in seiner Heimatstadt, Atlanta, Sommerspiele (1966) gekriegt.

TV-Einnahmen verdreifacht

Die TV-Einnahmen des IOC haben sich seit 1996 (1,2 Milliarden Dollar) bis 2012 (3,8 Mrd.) verdreifacht. Erst vor Kurzem schloss der neue IOC-Präsident Thomas Bach, ein ehemaliger Siemens-Lobbyist, mit NBC einen Vertrag bis 2032 für 7,75Milliarden Dollar, dafür darf der Sender Olympia-Content im Free-TV, Pay-TV, Internet und auf Handys verbreiten.

Der Leitbegriff des IOC (und im Übrigen auch des Weltfußballverbands Fifa) ist seither Markt und nicht mehr Sport. Wann immer problematische Regimes oder Regionen (China, Aserbaidschan, Katar, Dubai, Weißrussland) mit Sportwettkämpfen bespielt werden, heißt es, einen „Markt“ zu öffnen.

Auf der IOC-Homepage findet sich die Selbstbelobigung, die olympische Bewegung sei eine der wirkungsvollsten Marketingplattformen und erreiche Menschen in mehr als 200 Ländern der Welt. Fazit: Der Olympismus ist zu einem Umschlagplatz für Waren und Dienstleistungen aller Art geworden. Mit der Verbreitung der Ideale des Sports hat das, wie zuletzt die Olympischen Europaspiele beim korrupten aserbaidschanischen Diktator Alijew zeigten, nichts mehr zu tun.

Bloßes Compliance-Gerede

Bedenken wegen korrupter oder diktatorischer Regimes in den Veranstalterländern hinderten das IOC, siehe die Spiele 1968 in Mexiko oder 1980 in Moskau, noch nie an einem Geschäft. Die Behauptung, Olympische Spiele trügen zur Öffnung oder Demokratisierung problematischer Länder bei, ist bloßes Compliance-Gerede. Wie die vom neuen IOC-Präsidenten eingeführte Agenda 2020. Die Kritik daran wirkt jedes Mal ein wenig naiver. Chinas Regime regiert repressiver als vor den Sommerspielen 2008.

Und da ist noch etwas: General Electrics hat NBC verkauft und ist dafür einer der globalen Topsponsorpartner des IOC. GE ist noch wie in Welchs Tagen ein Rüstungsfabrikant und arbeitet eng mit den beiden größten Rüstungskonzernen der Welt, Lockheed Martin (Umsatz an Militärprodukten 2013: 35,5 Mrd. Dollar) und Boeing (30,4 Mrd. Dollar), zusammen. Hauptabnehmer der von GE mitgebauten Kriegsflugzeuge und -schiffe sind die USA. Präsenz auf einem Markt wie China oder in anderen Problemstaaten ist für GE nicht nur nicht problematisch, sondern eine preisgünstige und unverfängliche Chance auf Geschäftsanbahnung.

Mag. Johann Skocek (*1953) arbeitet seit mehr als drei Jahrzehnten als Journalist und Buchautor. Er hat sich auf die Hintergrundberichterstattung von Sport, Wirtschaft und Politik spezialisiert.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2015)

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