Flüchtlingstragödie: Mehr als 200 Tote befürchtet

Trotz schneller Rettungsversuche starben bisher 26 Menschen.
Trotz schneller Rettungsversuche starben bisher 26 Menschen.REUTERS
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Auf dem am Mittwoch vor Libyen gekenterten Flüchtlingsboot befanden sich bis zu 700 Menschen, 367 konnten gerettet werden. 26 Leichen wurden geborgen - die Suche geht weiter.

Nach dem Kentern eines völlig überbesetzten Flüchtlingsboots vor der libyschen Küste sind die Überlebenden auf Sizilien angekommen. Das irische Marineschiff "Niamh" mit 367 geretteten Flüchtlingen traf am Donnerstag im Hafen von Palermo ein. An Bord befanden sich 13 Minderjährige und 25 Leichen, die nach dem Unglück aus dem Meer geborgen worden waren.

Sechs Flüchtlinge, darunter ein einjähriges Kind, mussten per Hubschrauber ins Krankenhaus gebracht werden. Mehr als 200 weitere Insassen des gekenterten Flüchtlingsbootes werden weiterhin vermisst - die Suche nach ihnen wurde am Donnerstag fortgesetzt.

Die Mehrheit der Flüchtlinge, die am Mittwoch auf dem havarierten Schiff vor der Küste Libyens auf Rettung warteten, hatte sich offenbar zu dem Zeitpunkt, als sie die ersten Helfer kommen sah, auf eine Seite des Bootes bewegt und das Schiff dadurch zum Kippen gebracht. Das Boot sank laut Berichten von Augenzeugen auch deshalb so schnell, weil es aus Metall war. Zahlreiche Menschen seien zum Zeitpunkt des Unglücks im Inneren eingeschlossen gewesen und hätten sich nicht mehr befreien können. Die Flüchtlinge stammten nach Angaben der italienischen Behörden großteils aus Syrien.

"Es war ein schrecklicher Anblick"

Die Staatsanwaltschaft von Palermo leitete eine Untersuchung über das Flüchtlingsdrama ein. Überlebende sollen von den Ermittlern befragt werden. Die geretteten Migranten sollen in Flüchtlingseinrichtungen in Norditalien, sowie im süditalienischen Kampanien untergebracht werden. Die Angehörigen der Todesopfer werden vorerst in Palermo bleiben, teilten die Behörden mit.

"Es war ein schrecklicher Anblick. Menschen klammerten sich verzweifelt an Rettungswesten, Boote und alles, was sie erreichen konnten und kämpften um ihr Leben. Um sie herum waren andere Menschen dabei zu ertrinken, andere waren schon ertrunken", sagt Juan Matias, Projektkoordinator von Ärzte ohne Grenzen auf der "Dignity 1", die kurz nach dem irischen Marineschiff den Unglücksort erreichte.

381 Menschen vor Libyen gerettet

Bessere Nachrichten kamen unterdessen am Donnerstag von einem anderen Unglücksort, 30 Seemeilen vor Libyen. Auch dort war ein Flüchtlingsschiff in Seenot geraten, alle 381 Menschen an Bord konnten jedoch von der italienischen Marine gerettet werden.

Die EU-Kommission sah sich durch die jüngsten Flüchtlingstragödien im Mittelmeer bestätigt. "Es ist klar, dass wir einen neuen und europäischeren Ansatz brauchen", erklärten EU-Kommissionsvize Frans Timmermans, die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und der für Flüchtlinge zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos am Donnerstag. Die EU arbeite hart daran, solche Tragödien zu verhindern und habe die Mittel für die Seenotrettung verdreifacht, sagte EU-Kommissionssprecherin Natasha Bertaud. Seit 1. Juni dieses Jahres seien über 50.000 Menschen gerettet worden. Doch obwohl die Zahl der auf Hoher See Ertrunkenen zurückging, sei dies nicht genug.

Mittelmeer ist die tödlichste Grenze der Welt

Mogherini lobte den Einsatz der italienischen Küstenwache und der EU-Mission "Frontex" bei der Rettung der Flüchtlinge. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International appellierte hingegen an die EU-Regierungen, sich für humanitäre Korridore einzusetzen, damit Menschen auf der Flucht vor Krieg und Hunger auf sichere Weise nach Europa gelangen können.

Das Mittelmeer gilt aktuell als die tödlichste Grenze der Welt. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) von Dienstag starben heuer bereits mehr als 2000 Menschen beim Versuch, auf diesem Weg nach Europa zu gelangen. Das neue Unglück vor Libyen könnte das mit den meisten Todesopfern seit April sein, als mehr als 800 Flüchtlinge im Mittelmeer ertranken.

(APA)

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