China liberalisiert den Yuan-Wechselkurs und wertet dabei so stark ab wie seit 1994 nicht mehr. Das soll die Konjunktur ankurbeln – erhöht aber auch den Druck auf andere Länder.
Wien. Die Homepage der People's Bank of China (der chinesischen Zentralbank) brauchte am Dienstag mehrere Minuten, um die Mitteilung zu öffnen, in der die „Verbesserung der Kurssetzung des Mittelkurses gegenüber dem US-Dollar“ angekündigt wurde. Kein Wunder, dürften doch weltweit Millionen Menschen gleichzeitig versucht haben, die Meldung zu lesen. Diese hatte zwar einen sperrigen Titel und bestand auch nur aus zwei Sätzen. Das reichte aber trotzdem aus, um Schockwellen auf die globalen Finanzmärkte auszusenden.
Der Grund dafür ist eigentlich positiv: Denn China liberalisiert die Kursfestsetzung seiner Währung Yuan (auch Renminbi genannt). Seit 2005 hat China die fixe Bindung an den US-Dollar aufgegeben. Grund dafür war unter anderem die Kritik aus dem Westen, die inzwischen zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt würde den Kurs künstlich niedrig halten, um die eigenen Exporte zu stärken. Seither setzt die chinesische Zentralbank einen täglichen Mittelkurs fest, von dem der Yuan maximal zwei Prozent abweichen darf.
Mehr Markt in China
Laut der Zentralbank hat sich dieser Mittelkurs in der vergangenen Zeit zu stark vom realen Marktkurs entfernt. Künftig soll der Mittelkurs daher nicht mehr willkürlich festgesetzt werden, sondern vom Schlusskurs des Vortages bestimmt werden. Und da dieser am Montag um knapp zwei Prozent niedriger als der Mittelkurs war, führte das am Dienstag zu einer zweiprozentigen Abwertung des Yuan gegenüber dem Dollar – dem stärksten Rückgang seit 1994, als China den offiziellen Wechselkurs mit den bis dahin inoffiziellen Marktkursen zusammenführte.
Vordergründig kommt China damit der Forderung aus Europa und den USA nach, seine Währung stärker freizugeben. Laut Experten ist der Zeitpunkt, zu dem das geschieht, jedoch alles andere als ein Zufall. Denn China befindet sich schon seit einigen Wochen in einer wirtschaftlichen Schwächephase.
So sind nicht nur die Kurse an den chinesischen Börsen – etwa in Shanghai – in jüngster Zeit mehrmals heftig eingebrochen, auch die Realwirtschaft leidet unter einer ordentlichen Abkühlung. Erst am vergangenen Wochenende wurde bekannt, dass die Produzentenpreise in China um 5,4 Prozent zurückgegangenen waren. Und die Exporte sanken im Juli um 8,3 Prozent – angesichts einer im Vorfeld erwarteten Abschwächung von nur 1,5 Prozent ein wahrer Schock.
Allgemein wird daher erwartet, dass eine stärker auf dem Markt basierende Kursfestsetzung den Yuan weiter schwächen werde. Dies könnte schlussendlich aber der chinesischen Volkswirtschaft wieder auf die Sprünge helfen, weil Exporte dadurch günstiger werden, und so die Wettbewerbsfähigkeit steigt.
Manche Beobachter äußerten am Dienstag die Sorge, dass China so auch andere Länder unter Zugzwang bringen könnte, ihre Währungen abzuwerten. Am Dienstag verhielten sich die Notenbanken von wichtigen asiatischen Handelspartnern wie Südkorea oder Japan aber noch ruhig.
Grund dafür dürfte sein, dass Länder wie Japan in der Abwertungsspirale bereits weit vor China sind. So wertete der japanische Yen durch das Gelddruck-Programm der japanischen Notenbank seit 2012 um 50 Prozent gegenüber dem Dollar ab. Manche Experten sind daher der Ansicht, dass China in dieser Entwicklung nur nachzieht.
Im Windschatten des Dollar
Ein Indiz für diese Sichtweise ist, dass China die jüngste Stärke des Dollar im Yuan mitgegangen ist, weil das Augenmerk der Zentralbank vor allem auf diesem Wechselkurs liegt. Gegenüber dem Euro hat der Yuan daher seit Mitte des Vorjahres um rund 20 Prozent aufgewertet, was für chinesische Exporte nach Europa nicht wirklich förderlich war.
Hebt die US-Notenbank Fed nun wie erwartet im Herbst ihre Zinsen wieder an, dürfte die jüngste Dollarstärke weiter zunehmen. Und da scheint China lieber nicht dabei sein zu wollen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2015)