Neue Turbulenzen an den Börsen

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Die Zinsen sollen wieder steigen, aber die Märkte sind wenig begeistert. Rohstoffe und Aktien stürzen ab – und Währungen werden reihenweise fallen gelassen. Der September verspricht, heiß zu werden.

Wien/New York. Auch die lebende Legende Warren Buffett hat schon bessere Wochen erlebt als die vergangene. Da musste er nämlich einen Verlust von 3,6 Mrd. Dollar einstecken, nachdem die Aktien seiner Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway um mehr als fünf Prozent nachgegeben hatten. Der legendäre Investor ist nicht allein. Daten der Finanzagentur Bloomberg zufolge haben die 400 reichsten Menschen der Welt binnen einer Woche an den Börsen 182 Mrd. Dollar (160 Mrd. Euro) verloren.

Nun ist das noch kein Grund zur Verzweiflung. Die 400 reichsten Reichen verfügen gemeinsam immer noch über vier Billionen Dollar – mehr als das Zehnfache der heurigen Wirtschaftsleistung der Republik Österreich. Um Buffett und Co. muss man sich also keine Sorgen machen. Aber die Superreichen sind nicht allein – auch die Kleinanleger leiden unter fallenden Kursen. Sieben Jahre nach der letzten großen Krise stehen die Zeichen an den Börsen wieder auf Sturm.

Der New Yorker Aktienindex S&P 500, der die 500 wichtigsten US-Aktien abbildet, hat seine schlechteste Woche seit 2011 hinter sich. In Europa sieht es kaum besser aus – auch wenn der Euro (gemeinsam mit Gold und Platin) zu den wenigen echten Gewinnern der Woche gehört. Und richtig brutal trifft es derzeit die aufstrebenden Emerging Markets. Der MSCI-Index für Schwellenländer hat seine schlechteste Woche seit drei Jahren hinter sich.

Damit nicht genug: Der Ölpreis befindet sich auf seiner längsten Talfahrt seit 1986 und notiert zum ersten Mal seit sechs Jahren unter 40 Dollar pro Fass. Der ganze Rohstoffsektor steht inzwischen so tief wie zuletzt vor 13 Jahren. Dazu kommen die Währungsturbulenzen (siehe Seite 13): Nach der Lockerung der Yuan-Bindung an den Dollar und der darauffolgenden Abwertung der chinesischen Währung gab am Donnerstag auch die kasachische Zentralbank die Dollar-Bindung auf und ließ die nationale Währung um rund 22 Prozent abschmieren.

Was auf den ersten Blick wie ein Abwertungswettlauf aussieht, hat tief greifende systematische Relevanz: Nach Russland und China lösen sich nun auch die Ölstaaten vom US-Dollar und geben ihre Währungen frei. „Am Ende des Tages werden die meisten öl-produzierenden Länder in ein System freier Wechselkurse einsteigen“, sagte der kasachische Premierminister, Karim Massimow, am Samstag. Das inkludiere Saudiarabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Die Folge: „Ich glaube nicht, dass die Rohstoffpreise in den nächsten drei bis sieben Jahren auf das Level von 2014 zurückkehren werden.“

Die Fed in der Zwickmühle

Währungsabwertungen wie jene in China oder Kasachstan werden oft als „Intervention“ beschrieben – sind aber eigentlich das genaue Gegenteil. Die Zentralbanken dieser Länder kapitulieren sozusagen vor dem Markt – statt weitere Währungsreserven für die Verteidigung eines nicht mehr realistischen Wechselkurses zu verpulvern.

All dies geschieht im Vorfeld einer mit extremer Spannung erwarteten Sitzung der US-Zentralbank Federal Reserve am 17. September. Da sollte die Fed nach sieben Jahren Nullzinspolitik die Zinsen anheben – was die Phase der akuten Krisenbekämpfung durch billiges Geld erstmal beenden würde.

Öl- und Schwellenländer erwartet dann noch größerer Druck auf ihre Währungen – weshalb sie sich offenbar schon im Vorfeld zu deren Freigabe entschlossen haben. Aber ein Land wie China, das weiterhin sieben Prozent Wachstum zu erwarten hat, steht trotzdem anders da als der überschuldete Westen. Selbst der Internationale Währungsfonds will im Zusammenhang mit China nicht von einer Krise sprechen. Die Federal Reserve steckt allerdings nun in einer echten Zwickmühle: Hebt sie die Zinsen zu schnell oder zu stark, riskiert sie weiter fallende Kurse und sogar eine Rezession. Aber wenn die Fed diese Wende noch weiter hinausschiebt, riskiert sie Schaden an der eigenen Reputation.

Nur eine erfolgreiche und konsequente Zinswende kann den endgültigen Beweis für das Funktionieren der Fed-Geldpolitik in der Krise erbringen. Bisher hat die Fed bloß für billiges Geld gesorgt, was wiederum die Börsenkurse angetrieben hat. Wenn diese nun bei der kleinsten Erwähnung höherer Zinsen zu rutschen anfangen, ist das kein positives Zeichen. Aber die Kurse ewig durch billiges Geld aufzublasen, ist eben auch keine Option.

Sollte die Fed am September-Termin für die Zinswende festhalten, würde sie durch einen sanften Zinsschritt die Börsen wieder dem ausliefern, was in den vergangenen sieben Jahren von der Geldlawine der Zentralbanken verschüttet worden war. Der Markt wäre wieder da. Und mit ihm Risiko und Volatilität. Wenn die Federal Reserve die Zinswende durchzieht, verspricht der September heiß und turbulent zu werden. Dem folgt dann entweder echte Wirtschaftserholung bei steigenden Zinsen – oder ein neuer Crash.

Aber schon mehren sich die Stimmen, die von der Fed eine weitere Verlängerung der Nullzinspolitik fordern. Sollte die Fed einen Zinswenderückzieher machen, würde erstmal Ruhe einkehren – bevor die Turbulenzen beim nächsten Termin weitergehen.

AUF EINEN BLICK

Alle sieben Jahre, so eine beliebte Theorie, kommt es an der Börse zu einer Krise. Im Vorfeld einer möglichen Zinswende der US-Notenbank Federal Reserve im September kündigt sich die Bestätigung dieser Regel an. Sieben Jahre nach der letzten großen Finanzkrise sehen die Börsen wieder rot. Probleme in China und anderen Schwellenländern tun ihr Übriges. Schon mehren sich die Stimmen, die von der Fed eine weitere Verzögerung der Zinsanhebung fordern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2015)

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