Wer Gegenstände gestalte, sei automatisch mit der Frage nach (Un-)Gleichheit und dem Thema In- bzw. Exklusion konfrontiert.
„So lange wir designen, ohne über Politik zu reden, haben wir ein Problem.“ Für Kristina Höök, Professorin für Interaction Design am Stockholmer Royal Institute of Technology, ist Technikdesign eine politische Arena. „Mit der Art und Weise, wie wir Werkzeuge gestalten, definieren wir unser Vorstellung davon, wie die Welt organisiert sein sollte.“
Höök ist heute eine der Teilnehmerinnen am Breakout Human Enhancement Technologies (ab 13 Uhr, Hauptschule). Design ist ihrer Meinung nach hochgradig politisch und eng mit der Frage nach (Un-)Gleichheit verbunden. Denn Design sei immer von der Frage begleitet, „wen wir inkludieren und wen wir exkludieren“. Sie denkt dabei unter anderem an Geschlechter- und Altersunterschiede oder an Behinderungen. Wenn wir diese Unterschiede nicht mitbedenken, bestehe die Gefahr, zum Beispiel ausschließlich für einen weißen, westlichen, männlichen, reichen Nutzer zu designen.
Um eben nicht in diese Falle zu tappen, beschäftigt sich Höök intensiv mit Somästhetik, der Fähigkeit, den eigenen Körper wahrzunehmen. Somästhetisches Design („sõma“: griechisch für Körper) bezieht das Körperbewusstsein des Benutzers und wie er sich gerade fühlt, mit ein.
Optimieren ist zu wenig
„Im Gegensatz dazu war das Industriedesign in der Vergangenheit sehr stark vom Gedanken des Optimierens getrieben“, sagt Höök im Gespräch mit der „Presse“.
Als Beispiel bringt sie das Tippen auf einer Tastatur: Es sollte so schnell, so effizient und so schmerzfrei wie möglich sein. Ein somästhetischer Anwendungsfall könnte ein Touchscreen sein, der automatisch den individuellen Tastenanschlagdruck kalibriert und dem Nutzer das Gefühl der einfachen und bequemen Handhabung vermittelt – ganz nach den Bedürfnissen reagiert der Touchscreen auf den entweder leichteren oder stärkeren Anschlag.
„Ihre linke Ferse wird warm“
Sie selbst beschäftigte sich zuletzt mit einem anderen somästhetischen Anwendungsfall: der Soma-Matte. Das ist eine von ihrem Team entwickelte, mit Drucksensoren ausgestatteten Matte, die mit einem iPhone gekoppelt ist.
Wer auf der Matte liegt, bekommt über Kopfhörer Anweisungen wie bei einer Feldenkrais-Einheit eingespielt. Beispielsweise, sich auf die linke Ferse zu konzentrieren. „In dem Moment erwärmt sich die Matte genau unter der linken Ferse und hilft dem Anwender, sich auf die jeweilige, angesprochene Körperregion zu konzentrieren“, sagt Höök. „Das System orientiert sich dabei an den Bewegungen des Benutzers.“ Die Soma-Matte solle helfen und unterstützen, in den Körper hinein zu hören, eigene Bewegungen bewusster zu machen und, sagt Höök, „zu genießen“.
Esoterisch sei das keineswegs, wehrt die Professorin ab. Ihr geht es darum zu zeigen, dass der Körper nicht nur funktional sein, sondern Bewegung auch Spaß machen soll. „All die Sensoren, die wir am Körper tragen, wie zum Beispiel die Apple-Watch, liefern Zahlen. Sie messen Puls oder Blutdruck. Sie externalisieren und machen den Körper als Objekt begreiflich. Als Maschine, die kontrolliert, getrimmt und perfektioniert werden muss.“ Das zeige sich auch in der Fülle an Fitness-Apps, die mittlerweile verfügbar sind.
Kinder bewegen sich natürlich
Dem somästhetischen Ansatz entspreche es, das individuelle Bewegungs- und Erfahrungsrepertoire zu erweitern und nicht unbedingt darum, menschliches Verhalten zu imitieren. „Als Kinder haben wir uns ganz natürlich bewegt. Aber spätestens in der Schule bekommen wir gesagt, ,sitz gerade‘.“ Das sei natürlich bis zu einem gewissen Grad sinnvoll und berechtigt. „Doch Schritt für Schritt verlernen wir bestimmte Bewegungen.“
Außerdem sagt Höök: „Die Philosophie hat uns gelehrt, wenn man den Geist stärkt, dann werden die Kreise weiter. Ich sage, man kann auch den körperlichen Erfahrungsschatz erweitern. Den Geist und den Körper zu stärken, sollte eins sein. Das führt zu einem reicheren, interessanteren Leben. Auch umgekehrt: Wenn man sich mehr mit dem eigenen Körper beschäftigt, dann stärkt das auch die geistigen Fähigkeiten.“