Ärzte drohen mit Vertragskündigung

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Sollte der Gesetzesentwurf zu den Primärversorgungszentren wie geplant beschlossen werden, will die Ärztekammer landesweit die Gesamtverträge mit den Krankenkassen kündigen.

Wien. Die Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte droht dem Gesundheitsministerium damit, die Gesamtverträge mit den Krankenkassen zu kündigen, sollte der aktuelle Gesetzesentwurf zu den geplanten Primärversorgungszentren („Primary Health Care“) nicht umfassend adaptiert werden. Denn im Falle der Umsetzung dieses „unfertigen, unqualifizierten Technokratenpapiers“ sei es für die niedergelassene Ärzteschaft in Österreich nicht mehr möglich, im Kassensystem weiterzuarbeiten, sagte Johannes Steinhart, Vizepräsident und Obmann der Kurie der niedergelassenen Ärzte der Österreichischen sowie Wiener Ärztekammer, am Montagabend vor Journalisten. „Der Gesetzesentwurf ist geradezu ungeheuerlich, offensichtlich will man die Hausärzte durch einen Zentralismus ersetzen.“

Beschluss einstimmig gefasst

Einen entsprechenden Empfehlungsbeschluss hat die Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte am Samstag bei einer Sondersitzung einstimmig gefasst. Die Länderkammern werden darin aufgerufen, die notwendigen Vorbereitungen für die Kündigung der Verträge zu treffen. Noch sei man aber verhandlungsbereit, sagt Steinhart.
Die Folge der Kündigung wäre ein vertragsloser Zustand. Patienten müssten dann für die Behandlung beim niedergelassenen Allgemeinmediziner oder Facharzt bar bezahlen und könnten sich einen Teil davon bei der Kasse zurückholen. Eine einseitige Vertragsauflösung würde aufgrund der Fristen einige Monate bis zu einem halben Jahr dauern. In diesem Ausmaß wäre das ein Novum in Österreich.

Der Knackpunkt des Konflikts ist, dass zusätzlich zu dem bundesweit einheitlichen Gesamtvertrag, der die Grundzüge regelt, die Sozialversicherung Einzelverträge mit jedem Primärversorgungszentrum abschließen will. Diese müssen ein Konzept vorlegen, dann wird ein Vertrag mit detaillierten Regelungen über die zu erbringenden Leistungen abgeschlossen – nicht nur über ärztliche Leistungen und deren Honorierung, sondern über alle Leistungen wie etwa Prävention, Physiotherapie, Ernährungsberatung, Sozialarbeiter, etc. Solche Einzelverträge hat die Ärztekammer von Anfang an abgelehnt.

Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) verteidigt diese hingegen damit, dass es je nach den regionalen Gegebenheiten auch unterschiedliche Anforderungen gebe, auf die man speziell eingehen müsse.

„Eine Gesundheitsministerin mit Gewerkschaftshintergrund will den Kollektivvertrag für Kassenärzte durchlöchern und stellt damit die Sozialpartnerschaft in Frage“, sagt Steinhart. „Das ist ungefähr so, als würde man in der Automobil- oder Baubranche vom Kollektivvertrag abweichen und diesen durch Direktvereinbarungen in den einzelnen Unternehmen ersetzen.“ In den genannten Branchen würde die Gewerkschaft eine solche Schwächung der Belegschaft niemals akzeptieren. Das vom Ministerium vorgelegte Konzept ziele auf „anonyme Gesundheitsgroßinstitutionen“ ab, in denen ein Arztkontakt nicht einmal verbindlich vorgesehen sei. Zudem bestehe die Gefahr, dass sie von internationalen Konzernen übernommen werden, die sie ausschließlich nach betriebswirtschaftlichen Überlegungen führen.

Ambulanzen entlasten

Mit den im Zuge der Gesundheitsreform geplanten Primärversorgungszentren sollen Ärzte, Therapeuten und Pflegefachkräfte ganztätig für Patienten zur Verfügung stehen und damit die Ambulanzen entlasten. Dafür können neue Zentren errichtet oder bestehende Einrichtungen vernetzt werden.

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