Moby Dick träumt rosarot

Delfin-Sichtung
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Mit der Wiener Fotoschule auf der Blumeninsel unterwegs zu sein, bedeutet, die Schönheit der Flora und der Farben bannen zu lernen. Wir schießen im Zauberwald Nebelfotos und schauen Pottwalen ins Atemloch.

Stative werden zusammengeschraubt und dann in Position gerückt. Die glitzernden Wasserkaskaden der einzigen Treppen-Levada Madeiras sollen auf ein Foto gebannt werden. „Hier kommt es darauf an, die Blende zu schließen, damit wir mittels einer möglichst langen Verschlusszeit das Wasser richtig schön fließen sehen“, rät von Karl Füsselberger von der Wiener Fotoschule.

Gleich neben dem Wasserlauf blüht ein Prächtiger Natternkopf, eine der 140 endemischen Pflanzen der Insel. Über die blaue Blüte ergießt sich sogleich ein Kameradauerfeuer. „Wenn es komplett scharf sein soll, dann Blende elf,“ rät Karl Füsselberger. Die Teilnehmer seiner Fotoreise sind ambitionierte Hobbyfotografen, die eine digitale Spiegelreflexkamera und einige Wechselobjektive dabeihaben.

Im Zauberwald

Über Arco da Calheta klettert der weiße Kleinbus mit den sieben Fotoreisenden hoch auf die Paul da Serra, ein unverbautes Gebirgsmoor, bewachsen mit Lorbeer, Stechginster und Baumheide. Während Karl Füsselberger, der vor der Fotoschulengründung als Pressefotograf für die UNO im Nahen Osten im Einsatz war, für die technischen und ästhetischen Feinheiten des Naturfotografierens zuständig ist, kennt Christa Dornfeld die Landschaften Madeiras wie ihre Westentasche. Sie lebt seit zwanzig Jahren auf Madeira und ist die Grande Dame des Inselwanderns: „Auf 1200 Höhenmetern wandern wir jetzt durch den ältesten Lorbeerwald Madeiras mit seinen riesigen Farnen, Flechten, Moosen und den Fetthennen auf den Bäumen, die aus dem Nebel die Feuchtigkeit filtern und sie in Form von Tropfen wieder an den Boden abgeben.“ Pfefferminzduft liegt in der Luft. Der Lorbeerwald heißt bei Christa Dornfeld Zauberwald: „An meinem Geburtstag waren wir um Mitternacht im Zauberwald“, erzählt die blonde Mittvierzigerin mit leuchtenden Augen. „Die Bäume warfen riesige Schatten, die Temperatur war angenehm. Wir schauten ganz einfach in die Stille und die wunderbaren Schatten, die der Mond auf den Boden malte.“ Christa zerreibt Blätter in der Hand: madeirensischen Lorbeer, nicht Laurus Nobilis, Mittelmeerlorbeer, den wir zu Hause verwenden. „Und dann gibt's natürlich auch den Stinklorbeer“, sagt sie und zeigt auf einen an der Rinde aufgerissenen Baum, aus dessen Dunkel es müffelt.

Fotografieren im Nebel

Das Fotografieren von Nebellandschaften ist eine eigene Disziplin, die hoch über Santana im Norden der Insel geübt wird. „Vor uns befindet sich eine riesige Nebelbank, die die Belichtungsmessung beeinträchtigt“, führt Karl Füsselberger in die Nebelfotografie ein und zeigt jedem Teilnehmer einzeln die technische Annäherung an das Bild. Bei der Rückfahrt wird in Porto da Cruz Station gemacht, eine alte Zuckerrohrfabrik besichtigt und fotografiert, direkt an der Meeresbucht, die ein riesiger Basaltblock dominiert. „Poncha! Poncha!“, ruft Christa Dornfeld – und schon finden sich die Fotografen ein zum Verkosten des Madeira-Cocktails Poncha, der aus Zitronensaft, Honig und Zuckerrohrschnaps gemixt wird. Dazu gibt es Bolo do Caco, das Knoblauchbrot. Der Madeirenser sagt: „A saúde!“

„In Calheta an der Südküste fahren wir hinaus zum Whale Watching.“ Füssi, wie Karl Füsselberger mittlerweile von seinen Schülern genannt wird, gibt Ratschläge vor dem Ablegen des Bootes: „Als Verschlusszeit wählen wir eine tausendstel Sekunde, denn Delfine sind bis zu 60km/h schnell. Wir machen Serienbilder und suchen anschließend das beste aus.“ An Land beobachtet ein Späher mit starkem Spektiv das Meer, um bei Sichtung eines Blas, der Wasser-Luft-Fontäne beim Ausatmen der Wale, Navigationsanweisungen per Handy zu geben.

Gelbschnabelsturmvögel kreisen um eine Gruppe Delfine, deren weiße Bäuche türkis unter der Meeresoberfläche schimmern. Der Motor wird abgeschaltet, um die Tiere nicht zu stören. „Die Wale holen Luft“, sagt Claudia Gomes. Wie Baumstämme liegen zwei Pottwale neben dem bunten Boot, sie sind zum Atemholen aufgetaucht. Einem Pottwal kann man fast ins Blasloch hineinschauen. „Das sind zwei Weibchen“, stellt Claudia Gomes fest, „die werden bis zu zwölf Meter lang.“ „Nach Sonnenuntergang steigt der Blauanteil in der Färbung des Himmels, wir fotografieren die Blaue Stunde, wenn die Lichter in der Bucht von Funchal angehen.“ Füssi justiert die Kamera auf 400ISO, die Blende auf elf. Bei einer Brennweite von circa 100 Meter ist die Landzunge der Hauptstadt von Madeira auf dem Bild. Die Belichtungszeit beträgt eine Tausendstelsekunde, kein Problem, die Stative sind natürlich dabei. Eifrig werden Fotos erstellt, während sich die Stimmung am Himmel langsam ändert. „Der Schwarzanteil im Himmel nimmt zu, jetzt beginnt die Nacht,“ sagt Füssi. „Wenn der Himmel ganz schwarz ist, machen wir die Nachtaufnahme.“ Und dann kommt der portugiesische Gutenachtgruß: „Sonhos cor-de-rosa.“ Rosarote Träume!

SCHMÖKERN, VERKOSTEN, KUNST BEWUNDERN

Wiener Fotoschule: Reithofferplatz 16/5, 1150 Wien, wienerfotoschule.at
Wanderdoyenne Christa Dornfeld: madeirawandern.com

Museum Ronaldo: In der Hauptstadt Funchal kann man sich neuerdings sonnen im Erfolg des besten Fußballers der Welt. Cristiano Ronaldo kommt aus Funchal und stellt seine Trophäen und die beiden goldenen Bälle seit Dezember 2013 in seinem eigenen Privatmuseum aus. Museu Cristiano Ronaldo, Rua Princesa Dona Amélia 10, +351/291 639880. Täglich von 10−18 Uhr.

ESSEN
Madeira-Spezialitäten gibt es im Restaurante e Bar O Moinho (Die Mühle) Estrada dos Moinhos 50, 9125 Canico, Assomada, +351/291 932882. moinho.webs.com

Hortensisches: Interessant ist der Orchideengarten eines ausgewanderten Österreichers: Fundação Josef Pregetter, Rua Pita da Silva 37, 9060−240, Funchal. madeiraorchid.com

KUNST
Museu de Arte Sacra: Auf der Blumeninsel Madeira ist auch Kunst zu finden. Hochwertige flämische Malerei zeigt das Museum religiöser Kunst in Funchals Innenstadt. Eintritt 3 Euro, Rua do Bispo 21, Funchal.
Centro das Artes − Casa das Mudas: Beeindruckend sind vor allem Kunstwerke aus der Zeit von 1920 bis 1940, aus der Epoche der Hochblüte von Jazz und Hollywood, darunter Namen wie Lalique, Sèvres, Trotteyn. Zach, Prieu. Vale de Amores, 9370−111 Calheta.

SHOPPING
Buchhandlung: Livraria Esperança: Die 1866 gegründete Buchhandlung ist mit 1200 m2 Verkaufsfläche und über 105.000 Büchern eine der größten der Welt. Der Boden des Ladens besteht aus altem Kopfsteinpflaster. Rua dos Ferreiros, 119 & 156, Funchal.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2015)

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