Ex-Radfahrer Bernhard Kohl beendet seine Karriere und belastet die Aktiven: „Ohne Doping geht es nicht.“
WIEN. Bernhard Kohl beendet seine Karriere. Damit überrascht der 27-Jährige nicht. Denn welches Radteam will Geld ausgeben für einen Sportler, der erstens vor den Behörden, wie er es bezeichnet, „auspackt“ und zweitens in der Öffentlichkeit den Radsport als System bezeichnet, in dem Siege ohne Doping unmöglich sind?
Bernhard Kohl formulierte es ein wenig anders. Er sprach von einer Weggabelung, einer Kreuzung, vor der er gestanden habe: entweder als Radfahrer wieder dopen zu müssen oder ein „Leben ohne Lügen“ zu leben. Der vermeintliche Dritte der Tour de France 2008, der bei Nachkontrollen positiv auf das EPO-Präparat CERA getestet worden war, entschied sich für Letzteres. Aufklärung soll künftig eines der Standbeine seines lügen- und heucheleifreien Lebens sein. „Die jungen Sportler sollen Erfolge ohne Doping feiern können“, formuliert Bernhard Kohl seinen äußerst frommen Wunsch.
Ehe er die Arbeit mit seiner „Mental Werkstatt“ und seinen Radcamps aufnehmen kann, muss Kohl noch einige weniger angenehme Fragen beantworten. Der Staatsanwaltschaft nämlich. Wegen des Blutdopings kann er strafrechtlich nicht belangt werden, wegen der Blutzentrifuge, die er mit zwei anderen Sportlern gekauft haben und die von seinem ehemaligen Manager mehr oder weniger kommerziell betrieben worden sein soll, schon. Eine Verurteilung Kohls gilt aber als eher unwahrscheinlich, weil der Beweis einer allfälligen Mitwisserschaft an der Weitergabe von Dopingmitteln nur schwer zu führen sein wird.
Rund 200-mal sei er in seiner Karriere auf Doping getestet worden, ein einziges Mal positiv. Dabei hätten 100 Proben positiv sein müssen, sagte Kohl, der mit 19 die ersten Injektionen erhielt. Mangelt es den Kontrolloren an Cleverness, den „richtigen“ Zeitpunkt zu wählen, wo doch Sportler strengen Meldepflichten unterliegen? Österreichs Anti-Doping-Agentur wehrt sich: Dopingmittel wären teils sehr kurzfristig wirksam und teils so niedrig dosiert, dass ein Nachweis unmöglich sei.
Das stellt das Testsystem, bei dem offensichtlich nur schlechte oder überehrgeizige Doper aufgegriffen werden, infrage. Kohl geht noch weiter: Weil er nie ertappt worden sei, habe ihm der Blutpass des Weltradverbandes UCI, ein laufend aktualisiertes Verzeichnis seiner Blutwerte, geholfen, seinen Marktwert zu heben. Das ist ein Umstand, der Monitorings wie den „gläsernen Athleten“ ad absurdum führt, solange die Testmethoden nicht intelligenter werden.
„Mit 180 über die Autobahn“
Wie andere gefallene Sportler spricht sich Kohl für die strafrechtliche Verfolgung von Dopern aus. So wie etwa Österreichs Radsportverband – im Gegensatz zur Bundessportorganisation. Eine Strafe, argumentiert Kohl, hätte ihn abgeschreckt, weil „in den Häfen gehen will ich nicht“. Ein derartiger Tatbestand passt kaum in das österreichische Strafrechtssystem. Und die generalpräventive Wirkung ist anzuzweifeln. Doping, sagt Kohl, ist trotz der Androhung von Sperren und möglicher gesundheitlicher Folgen wie „mit 180 km/h über die Autobahn zu fahren. Keiner geht dann zur Polizei, gesteht und gibt den Führerschein ab.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2009)