China/USA: Das heikle Treffen der Giganten

U.S. President Barack Obama meets Chinese President Xi Jinping in California
U.S. President Barack Obama meets Chinese President Xi Jinping in California(c) REUTERS (KEVIN LAMARQUE)
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Der Staatsbesuch von Chinas Staatspräsidenten, Xi Jinping, in den Vereinigten Staaten wird überschattet von zahlreichen Konflikten. Dabei gibt es auch Gemeinsamkeiten.

Peking. Als Deng Xiaoping 1974 als erster Spitzenpolitiker der Volksrepublik die USA besuchte, war die chinesische Regierung so knapp bei Kasse, dass sie kaum die Reisekosten begleichen konnte. Der damalige Vizepremierminister wollte dennoch nicht mit leeren Händen nach Hause kommen. In New York schickte er einen Mitarbeiter los, der bei Woolworth eine Plastikpuppe für seine Enkeltochter besorgte – für 39 Cent. Ein wohlhabender Auslandschinese hatte Mitleid und kaufte Deng eine Puppe, die weinen, nuckeln und urinieren konnte. Die Puppe war in China ein Hit. Die jahrzehntelang vom Rest der Welt isolierten Chinesen hatten ein solches Spielzeug nie gesehen.

Am Dienstag ist Chinas Staatspräsident Xi Jinping zu einem viertägigen Staatsbesuch in den USA eingetroffen. Von Geldmangel kann keine Rede mehr sein. Im Gegenteil: Mit dabei sind unter anderem 15 Vorstandschefs von Chinas größten Unternehmen, die zusammen genommen rund 1000 Milliarden Dollar wert sind. Sie alle wollen kräftig in den USA investieren oder haben es in den vergangenen Monaten bereits getan.

Cyber-Angriffe auf der Agenda

Allein im ersten Halbjahr haben Berechnungen des US-Handelsministeriums zufolge chinesische Unternehmen mehr als 6,4 Milliarden US-Dollar in den USA investiert. Zum Vergleich: 2002 lag der Wert bei 385 Millionen Dollar. Kein Land investiert derzeit mehr in den USA als China. Diese Investitionen stellen die US-Regierung jedoch vor eine schwierige Situation. Denn so sehr die beiden Großmächte wirtschaftlich zusammenwachsen – politisch knirscht es derzeit ganz gewaltig.

Im Territorialstreit um unbewohnte Inseln im Süd- und Ostchinesischen Meer haben sich die USA auf die Seite Japans, Vietnams und den Philippinen geschlagen. Washington hält Chinas Bauarbeiten auf den umstrittenen Inseln für eine „Aggression“. Die US-Regierung beklagt zudem massive Hackerangriffe. Im April war herausgekommen, dass Daten von rund 22 Millionen derzeitiger und früherer Staatsbediensteter der USA geknackt wurden. Die USA beschuldigen Hacker aus der Volksrepublik. Die chinesische Führung wiegelt ab und wirft ihrerseits den USA Cyber-Spionage vor. Obama hat das Thema bei seinen Gesprächen mit Xi ganz oben auf die Agenda gesetzt.

Auch Chinas anhaltende Menschenrechtsverletzungen sorgen für Spannungen. Die USA sind inzwischen das einzige Land, das dieses Thema lautstark anspricht. Die Europäer trauen sich schon seit einiger Zeit nicht mehr. „Dieser Gipfel findet vielleicht in einer angespannteren Atmosphäre statt als jeder andere in der Zeit nach Tian'anmen“, befürchtet der frühere US-außenpolitische Regierungsberater Aaron Friedberg. Nach Pekings blutiger Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Tian'anmen-Platz 1989 hatte die US-Regierung den Kontakt zur chinesischen Führung auf Eis gelegt.

Zuerst Treffen mit Papst

So weit soll es zumindest aus chinesischer Sicht nicht kommen. Fu Ying, mächtige Vorsitzende des Ausschusses für Außenpolitik des Nationalen Volkskongresses, betonte, ihr Land sei an einer engen Partnerschaft interessiert. China und die USA seien keine Rivalen wie einst die USA und die Sowjetunion. Dafür seien die Volksrepublik und die Vereinigten Staaten viel zu eng miteinander verwoben. Was sie den Amerikanern aber vorwirft: Dass die USA ihre Sicht von Staatsverständnis anderen Staaten aufzwingen will. Jedes Land soll seinen eigenen Weg finden.

Trotz der vielen Konflikte gibt es auch Annäherungen. In der Klimapolitik haben sich die beiden größten Klimasünder im vergangenen November erstmals auf eine konkrete Drosselung des CO2-Verbrauchs geeinigt. Das macht Hoffnung, dass es beim Klimagipfel Ende des Jahres in Paris zu substanziellen Fortschritten kommt. Und auch beim Nuklearabkommen mit dem Iran zogen Peking und Washington zuletzt an einem Strang.

Das hält Obama dennoch nicht davon ab, den chinesischen Präsidenten in die Schranken zu weisen. Zeitgleich zum Besuch von Xi ist auch der Papst in den USA. Franziskus wird am Dienstag in Washington empfangen, Xi hingegen muss mit einem Abstecher in Seattle Vorlieb nehmen. Das Weiße Haus empfängt ihn erst am Donnerstag. Siehe auch S. 18

AUF EINEN BLICK

Staatsbesuch. Am Dienstag ist Chinas Staatspräsident, Xi Jinping, zu einem viertägigen Staatsbesuch in den USA eingetroffen. China investiert derzeit kräftig in den USA: Allein im ersten Halbjahr waren es mehr als 6,4 Mrd. US-Dollar. Auf politischer Ebene will US-Präsident Barack Obama dennoch Themen wie Menschenrechte, den Territorialstreit im Süd- und Ostchinesischen Meer sowie Cyber-Spionage ansprechen. Aufgrund des Papst-Besuchs wird Obama Xi erst am Donnerstag empfangen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2015)

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