Madrid pocht auf Einheit Spaniens

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Viele Einwohner Kataloniens begreifen sich als eigene Nation, die vom spanischen Zentralstaat drangsaliert werde. Spaniens Regierung sieht eine Sezession als verfassungswidrig.

Madrid. Eigentlich war es eine Regionalwahl, die am Sonntag in Katalonien stattfand. Doch es ging dabei um viel mehr. Denn Kataloniens Regierungschef, Artur Mas, erklärte bereits vor der Wahl, dass die Abstimmung gleichsam ein Ersatz für ein Unabhängigkeitsreferendum des Gebietes von Spanien werden soll. Die Rufe in Katalonien nach einer Trennung vom spanischen Königreich wurden in den vergangenen Jahren immer lauter. Doch Spaniens Regierung lehnt eine solche Loslösung als verfassungswidrig ab und stellt klar, dass man „alle illegalen Schritte“ Kataloniens unterbinden werde.

Die Argumente der Katalanen

Was steckt hinter dem Wunsch vieler Katalanen, Spanien den Rücken kehren und einen eigenen Staat gründen? Die 7,5 Millionen Einwohner Kataloniens, das etwa so groß wie Belgien ist, pflegen seit Jahrhunderten ihre eigene Sprache, Kultur und pochen auf Selbstverwaltung. Viele Katalanen begreifen sich als eigene Nation und fühlen sich vom spanischen Zentralstaat drangsaliert.

Dieser Eindruck wird zudem durch Erinnerungen an die rechte Franco-Diktatur (1939–1975) genährt: Damals wurde Katalonien kulturell wie politisch gleichgeschaltet. Wer Katalanisch sprach, musste mit Strafen rechnen.

Auch Kataloniens „Nationalfeiertag“ am 11. September erinnert an den Unabhängigkeitskampf: An diesem Tag kapitulierten die katalanischen Truppen 1714 gegen die königlichen spanischen Soldaten. Katalonien verlor seine weitreichende Selbstverwaltung und wurde ins spanische Königreich eingegliedert.

Heute hat Katalonien wieder eine begrenzte Autonomie mit Sonderrechten. Dazu gehört die Anerkennung der katalanischen Sprache, die zusammen mit Spanisch Amtssprache ist. Die Region hat sich zum wirtschaftsstärksten Gebiet Spaniens gemausert: Etwa 20 Prozent des spanischen Bruttoinlandsproduktes werden in Katalonien erwirtschaftet. Auch dank des Tourismus: 25 Prozent aller ausländischen Spanien-Touristen wählen Katalonien als Urlaubsziel.

Katalonien ist zugleich die spanische Region mit der höchsten Verschuldung. Nach Meinung des katalanischen Regierungschefs, Artur Mas, ist die Kasse aber nur deshalb leer, weil die Region im Zuge des Finanzausgleichs mehr Steuern an die spanische Zentralregierung abführen müsse, als sie über staatliche Investitionen zurückbekomme – man werde finanziell stranguliert. Deswegen fordert Mas die Steuerhoheit, damit Katalonien seine Einnahmen zum eigenen Wohl ausgeben könne.

Die Argumente Madrids

Warum stemmt sich Spanien gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen? In der Verfassung ist die „unauflösbare Einheit der spanischen Nation“ verankert. Zudem erlaubt das Grundgesetz eine regionale Volksabstimmung, wie sie Katalonien schon länger fordert, nur dann, wenn das Referendum vom spanischen Parlament gebilligt wurde. Das nationale Parlament hatte jedoch im Frühjahr 2014 mit breiter Mehrheit den Antrag auf eine katalanische Volksabstimmung abgeschmettert. Somit ist die spanische Rechtssituation anders als im britischen Schottland oder kanadischen Quebec, wo die Bürger in der Vergangenheit ganz legal über die Unabhängigkeit abstimmen durften. In beiden Fällen entschied die Mehrheit dort gegen die Abspaltung und die Lage beruhigte sich zunächst wieder.

Im Herbst ließ Spaniens Premier, Mariano Rajoy, bereits durch die Richter ein katalanisches Referendum unterbinden, das ohne Erlaubnis Madrids angesetzt worden war. Das spanische Verfassungsgericht stellte in einem früheren Urteil freilich auch klar, dass es prinzipiell nicht illegal sei, wenn Katalonien einen eigenen Staat anstrebe. Aber dies müsse rechtsstaatlich geschehen – also nicht einseitig, sondern im Dialog mit der spanischen Zentralregierung, um eine Verhandlungslösung sowie eine Änderung der Verfassung zu erreichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2015)

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