Rechts von der ÖVP dürfte eigentlich gar kein Platz sein

Die ÖVP schärft nach, wie Parteichef Mitterlehner das nennt. Das könnte die Lehre aus Oberösterreich sein. Wenn es nicht so nach Taktik für Wien klänge.

Die Schwierigkeiten, in denen die ÖVP nun steckt und aus denen sie sich gerade herauszuwinden versucht, haben auch historische Ursachen. Die ÖVP hat rechts von sich stets zu viel Platz gelassen – für die FPÖ. CDU/CSU in Deutschland haben diesen Raum zugemacht. Auch die britischen Konservativen haben erst in der jüngeren Vergangenheit Konkurrenz von rechts, durch die UKIP, bekommen.

Nun heißt es also wieder: Schmied und Schmiedl. Soll heißen: Die ÖVP besorge das Geschäft der FPÖ, indem sie deren Politik legitimiere, wenn sie selbst nach rechts rücke und freiheitliche Positionen übernehme. Nur: Was soll die ÖVP denn sonst tun? Nach links rücken?

Das würde eher nicht dem Wählerwillen aus der Oberösterreich-Wahl entsprechen, bei der die FPÖ um 15 Prozentpunkte zulegte, wovon 83.000 Wähler von der ÖVP kamen. Die FPÖ steht für einen restriktiven Zugang in der Asyl- und Zuwanderungspolitik. Man kann – andere Programmpunkte hin oder her – also wohl davon ausgehen, dass ein Großteil der nunmehrigen FPÖ-Wähler auch deswegen FPÖ gewählt hat. Will die ÖVP diese zurückgewinnen – oder solche bei anderen Wahlen nicht verlieren –, wird sie ihnen ein Stück des Weges entgegengehen müssen. So weit, so logisch. Aber nicht für alle.

Das Problem der ÖVP bisher war: Den Kurs erst kurz vor der Oberösterreich-Wahl zu ändern – das war allzu offensichtlich auf diese ausgerichtet. So wirklich glaubwürdig war das nicht. Und weder Josef Pühringer noch Reinhold Mitterlehner nahm man den plötzlichen Hardliner ab. Eine theoretische, aber durchaus interessante Frage in diesem Zusammenhang wäre: Wie hätte Erwin Pröll reagiert, wenn nun Landtagswahlen in Niederösterreich anstünden? Man kann wohl davon ausgehen, dass er nicht einfach so dabei zugesehen hätte, wie er die Absolute verliert.

Bezeichnend für das Dilemma der ÖVP ist der Umgang mit der Innenministerin. Aber auch ihr Verhalten selbst. Erst wurde sie mehr oder weniger alleingelassen, auch von den ÖVP-Landespolitikern, dann wurde ihr die Aufregung über die Zelte umgehängt. Kein Innenminister hätte in dieser Situation eine gute Figur gemacht. Und die Situation hat sich mittlerweile weiter zugespitzt. Johanna Mikl-Leitner kann auch nicht viel mehr tun, als das aktuelle Geschehen irgendwie zu administrieren, lösen wird sie das Problem allein nicht können.

Und da sie sich auch nicht mehr zu helfen weiß, greift sie zu drastischen – und leicht missverständlichen – Vergleichen, die dann gegen sie verwendet werden können: Wenn die internationale Staatengemeinschaft nicht endlich aufwache, würden Zustände wie in Mazedonien („das heißt auch mit Gewalteinsatz“) drohen, sagte Mikl-Leitner am Dienstag. Flugs hieß es, sie drohe selbst mit einem Gewalteinsatz an der Grenze.

Nun erhöht die ÖVP also das Tempo. „Nachschärfen“ nennt das Parteichef Reinhold Mitterlehner selbst. Familiennachzug beispielsweise nur dann, wenn sich die Familie selbst erhalten kann. Dazu passt auch das – von wem auch immer – der Öffentlichkeit zugespielte (und vom Finanzministerium offiziell dementierte) „Geheimpapier“, das die Kosten der Bewältigung der Flüchtlingskrise inklusive Familiennachzug doppelt so hoch ansetzt wie ohne.

Man könnte dies nun durchaus als Lehre aus der Oberösterreich-Wahl verstehen. Hätte man da nicht den Eindruck, dass es doch wieder nur um die nächste Wahl, nämlich jene in Wien am 11. Oktober, geht. Um noch zu retten, was zu retten ist.

Viel zu retten wird da allerdings nicht mehr sein für die Wiener ÖVP. Rechts – nennen wir sie die Stenzel-Konservativen – wird sie wohl in Richtung FPÖ ausrinnen. Und auf der liberalen Seite zu den Neos hin. Und möglicherweise werden sogar ein paar Linkskatholiken aus der Caritas-Fraktion aus Angst vor Strache „with a heavy heart“ den SPÖ-Bürgermeister wählen.

Wenn das Schmied/Schmiedl-Theorem irgendwo seine Gültigkeit hat, dann in Bezug auf Heinz-Christian Strache und Manfred Juraczka.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2015)

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