Wien: Ein Masterplan für Fußgänger

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Bund hat ein nationales Strategiepapier präsentiert, um den Fußgängerverkehr zu erhöhen. Wien gilt als Vorbild – aber auch hier ist im internationalen Vergleich Luft nach oben.

Wien. Zufußgehen ist quasi ein Allheilmittel. Wer viel zu Fuß geht, wird nachweislich älter und lebt gesünder, sagen Wissenschaftler. Es ist billig und sozial. Zufußgehen stärkt die Wirtschaft – denn eingekauft wird dort, wo es fußgängerfreundliche Strukturen gibt: das stärkt die Ortskerne und die lokale Wirtschaft. Wer zu Fuß geht, tut etwas gegen den Klimawandel – und dann wäre da noch die große Wandertradition, die zum kulturellen Erbe dieses Landes gehört.

Das alles bringt die Österreicher aber auch nicht auf die Beine, sie sind Gehmuffel. Während in den 1950er-Jahren noch zwei Drittel aller Wege zu Fuß zurückgelegt wurden, sind es heute nur noch 19 Prozent. Von der Gesamtdistanz, die ein Mensch pro Jahr zurücklegt, werden sogar nur noch zwei Prozent marschiert. Schuld daran sollen die zunehmende Motorisierung sowie die Zersiedelung sein, wodurch Weglängen in die Arbeit, zum Einkaufen oder in den nächsten Ort wachsen. Das alles motiviert die Bundesregierung nun, etwas gegen diese Entwicklung zu tun. Am Dienstag präsentierte Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) bei der internationalen Fußgängerkonferenz „Walk 21“ im Wiener Rathaus ein nationales Strategiepapier zur Förderung des Fußverkehrs auf Bund-, Länder- und Gemeindeebene, das gemeinsam mit dem Verkehrsministerium ausgearbeitet wurde.

Wien als Vorbild

Die Konferenz ist der offizielle Abschluss des Wiener „Jahres des Zufußgehens“ – auch in den vergangenen fünf Jahren hat die Stadt unter Rot-Grün viele fußgängerfreundliche Projekte umgesetzt. Etliche davon sollen laut dem Strategiepapier Vorbildwirkung haben. So wurde etwa in Wien eine Fußgängerbeauftragte installiert – auch der Bund empfiehlt Interessenvertretungen auf allen Ebenen. Dazu soll künftig die gesamte Verkehrspolitik in Richtung Priorisierung des Fußgängerverkehrs bei der Entwicklung von Siedlungs- und Mobilitätskonzepten ausgerichtet werden – in Wien wird darauf in Stadtentwicklungsgebieten schon vermehrt geachtet. Beispiele dafür wären etwa das verkehrsberuhigte Aspern oder autofreie Siedlungen am Nordbahnhof. Informationssysteme und Bewusstseinbildung sowie Kampagnen auf allen Ebenen, eine Internetplattform, Forschung zu dem Thema sowie Gesetzesänderungen hinsichtlich der Bedürfnisse von Fußgängern sind einige andere Punkte, die im Papier angeführt sind. Besonderes Augenmerk soll auf die Sicherheit gelegt werden, um die Zahl an Verkehrstoten zu reduzieren. In Wien gab es noch nie so wenige Verkehrstote um diese Zeit wie heuer, bisher sind es zehn. Im Jahr 2010 waren es 29 Personen. Als Grund für den Rückgang sehen Experten vor allem die Tempo-30-Zonen.

Um Gemeinden, Länder, aber auch Betriebe zu einer fußgängerfreundlichen Politik zu ermuntern, will der Bund Beratungsprogramme anbieten und großzügig Förderungen verteilen. „Zufußgehen ist nicht nur Alltagsmobilität. Es ist das Bindeglied zwischen den Verkehrsmitteln und damit auch ein wesentlicher Bestandteil unseres multimodalen Gesamtverkehrs. Deshalb stehen in unseren Planungen nicht nur die optimale Vernetzung der einzelnen Verkehrsträger, sondern auch fußgängerfreundliche Rahmenbedingungen im Vordergrund“, sagt Verkehrsminister Alois Stöger (SPÖ) zur „Presse“.

Vorbilder für Wien

Wien ist zwar für den Rest Österreichs Vorbild – hier liegt der Fußgängeranteil bei 26 Prozent, in St. Pölten etwa sind es nur 16 Prozent, dennoch ist im internationalen Vergleich Luft nach oben. In Helsinki und Budapest liegt der Fußverkehrsanteil etwa bei 32 Prozent. „Mein Ziel ist, den Anteil auf 30 Prozent in den nächsten Jahren zu erhöhen“, sagte Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou am Dienstag.

Zuletzt musste sie bei diesem Vorhaben Rückschläge einstecken: Laut der Verkehrsstatistik „Modal Split“ ist der Anteil der Fußgänger im Jahr 2014 von 28 auf 26 Prozent zurückgegangen – das könnte aber auch am Wetter liegen. Es regnete in den Sommermonaten so viel wie in den vergangenen zehn Jahren nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2015)

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