Humanitäres Engagement: „Wir sollten alle mehr zuhören“

Marlies Matejka erhielt die Auszeichnung für Telefonseelsorge Wien, die unter der Notrufnummer 142 Tag und Nacht kostenlos erreichbar ist.

Als ihr Name aufgerufen wurde, sei ihr „im wahrsten Sinn des Wortes die Luft weggeblieben“, bekennt Marlies Matejka. Die Leiterin der Telefonseelsorge Wien wurde in der Kategorie Humanitäres Engagement zur Österreicherin des Jahres gewählt. Diese Kategorie ist als einzige mit 10.000 Euro dotiert. Über jeweils 10.000 dürfen sich auch die Zweit- bzw. Drittplatzierten freuen – Martina Kronberger-Vollnhofer vom mobilen Kinderhospiz MOMO und David Zistl, einer der Gründer und Projektleiter der Initiative „Flüchtlinge Willkommen“, die Flüchtlingen private Unterkünfte vermittelt.
„Für meine Kolleginnen und Kollegen von der Telefonseelsorge bedeutet diese Auszeichnung eine große Wertschätzung ihrer Arbeit, die Freude und auch Stolz auslöst, ein Teil dieser Einrichtung zu sein“, sagt Matejka, die schon seit 1982 in verschiedenen Funktionen bei der Telefonseelsorge Wien tätig ist. Seit fast 50 Jahren ist dieser Dienst unter der Notrufnummer 142 Tag und Nacht kostenlos erreichbar und stellt eine besondere Form der Lebens- und Krisenhilfe dar. Sie ist ein Angebot für Menschen, die einen kompetenten, einfühlsamen und verschwiegenen Gesprächspartner suchen. Dabei gehe es nicht darum, kluge Ratschläge zu erteilen, sondern Mut zu geben und gemeinsam mit den Menschen in schwierigen Situationen für sie passende Lösungen zu finden. „Ich liebe diese Arbeit. Ich lasse mich gern von Lebensgeschichten berühren und unterstütze die ehrenamtlichen Kollegen durch Aus- und Weiterbildung darin, hilfreiche Gespräche zu führen“, erzählt Matejka. Was die Telefonseelsorge nicht sein könne, ist ein dauerhafter Freunde-Ersatz. „Das sind keine realen Beziehungen, das können wir nicht bieten.“ Man versuche aber, die Menschen zu ermuntern, auch auf ihr persönliches Umfeld zurückzugreifen und alte Kontakte zu aktivieren.
Träger der Telefonseelsorge sind die katholische und die evangelische Kirche. „Aber unsere Freiwilligen haben ganz unterschiedliche Religionen und Jobs – vom Studenten über den Architekten bis zum Polizisten oder pensionierten Lehrer“, sagt Matejka, die seit der Austria'15-Gala ihre Auszeichnung „genießt“ und sich über die viele E-Mails und SMS freut. „Es ist wunderbar, dass uns das Preisgeld die Möglichkeit gibt, zwei Projekte zu unterstützen – den Ausbau unserer Chatberatung und das 50-Jahr-Jubiläum der Telefonseelsorge im kommenden Jahr.“ Die Chatberatung sei notwendig, weil die Menschen seltener telefonieren und immer öfter schriftlich kommunizieren würden. „Die Telefonseelsorge bietet zwar schon eine Online-Beratung an, die Erfahrungen in anderen Ländern zeigen aber, dass die Nachfrage nach Chats stärker wird. Wir haben bereits die technischen Voraussetzungen, müssen aber unsere ehrenamtlichen Kollegen schulen und können das nun in einem größeren Ausmaß tun“, so Matejka. „Und für die geplanten Aktivitäten zum Jubiläum sind wir ohnehin froh über jede finanzielle Hilfe.“

Interesse ist nicht selbstverständlich

In ihrer Dankesrede richtete Matejka einen „Appell an das Zuhören“ – in einer Welt, in der das Zuhören immer schwieriger werde. Nahezu jedes Gespräch in ihrer 33-jährigen Tätigkeit bei der Telefonseelsorge habe mit den Worten „Danke, dass Sie mir zugehört haben“ geendet. „Es ist nicht selbstverständlich, dass man jemanden findet, der einem uneigennützig zuhört und sich wirklich interessiert. Jeder ist voll mit Eindrücken und Bedürfnissen, möchte das Eigene zur Sprache bringen“, betont Matejka. Bemerkenswert finde sie in der heutigen digitalen Kommunikation daher, dass viel mehr das Senden und Posten von Nachrichten im Mittelpunkt stünden und nicht das Empfangen. „Ich glaube aber, dass es für ein friedliches und einander wertschätzendes Miteinander wichtig ist, mehr zuzuhören. Und ich kann aus der Erfahrung sagen, dass das für einen selbst durchaus bereichernd sein kann.“

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