Katzian: Firmen sollen "digitale Dividende" zahlen

Wolfgang Katzian
Wolfgang Katzian(c) Fabry
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"Wir können nicht auf Dauer den Lohnsteuersektor auslutschen." Der Chef der Angestelltengewerkschaft legt einen Plan zur Finanzierung des Sozialstaates durch Profiteure der Wirtschaftskrise und der Digitalisierung vor.

Die Presse: In Österreich gibt es 400.000 Arbeitslose, darunter viele Ältere. Die müssen sich gefrotzelt fühlen, dass erst 2018 höhere Strafzahlungen bei deren Kündigung fällig werden. Wieso stimmen Gewerkschafter zu?

Wolfgang Katzian: Das ist eine Maßnahme in einem Gesamtpaket zum Arbeitsmarkt, die Regierung und Sozialpartner vereinbart haben. Es ist ein Einstieg in ein Bonus-Malus-System, so gesehen bin ich nicht unzufrieden – aber im Wissen, dass wir weiter arbeiten müssen. Auch bei der Zurückdrängung von All-in-Verträgen ist einiges gelungen.


Die Gewerkschaft will Arbeitslosigkeit auch mit Arbeitszeitverkürzung bekämpfen. Die Wirtschaft hält dem entgegen, das sei kontraproduktiv.

Viele Überlegungen auf nationaler und auf EU-Ebene zielen auf ein höheres Wirtschaftswachstum. Die Steuerreform tritt am 1. Jänner 2016 in Kraft, das erhöht die Kaufkraft. Das andere Thema sind Investitionen. Auf EU-Ebene muss ein ordentliches Konjunktur- und Investitionspaket auf die Reise geschickt werden. Man könnte bei den Fiskalregeln Investitionen, die Zukunftscharakter haben und für die Gesellschaft wieder hereingespielt werden – für Schulen, Kindergärten, Infrastruktur – herausrechnen.


Das heißt höhere Schulden.

Hätten wir immer keine Schulden gemacht, hätten wir keine Eisenbahn, keine Autobahn, gar nichts.


Warum ist für Sie im Gegensatz zur Wirtschaft auch die Verkürzung der Arbeitszeit eine Lösung?

Arbeit muss so verteilt werden, dass möglichst alle, zumindest sehr, sehr viele arbeiten können. Einer der wichtigsten Hebel ist der Abbau der Überstunden. Ein gar nicht so geringer Teil an Menschen arbeitet so viel, dass sie sich damit fast umbringen. Die taumeln von einem Burn-out in das nächste.


Für Niedriglohnbranchen gibt es die Forderung der GPA-DJP (Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus und Papier, Anm.) nach 1700 Euro Mindestlohn. Schon die Ankündigung im August hat für einen Aufschrei gesorgt, das würde Einstellungen verhindern.

Den Aufschrei gibt es immer, wenn die Leute etwas kriegen sollen. Wir reden bei 1700 Euro von Bruttobeträgen, das sind netto rund 1250 Euro. Rund ein Viertel aller Arbeitnehmer würde davon profitieren. Das ist gut für die Leute und gut für die Kaufkraft. Wer 1700 Euro verdient, hat keine Sparquote.


Sind Sie als Chef der GPA-DJP und der SPÖ-Gewerkschafter für eine Lockerung des Zugangs zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge?

Es gibt nach intensiver Diskussion eine aktuelle ÖGB-Resolution, die für alle Gewerkschaften gilt.


Was ist deren Kerninhalt?

Wir sind für einen erleichterten, aber regulierten Zugang zum Arbeitsmarkt. Wir betonen aber gleichzeitig das Grundprinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit.


Also Nein zu Lohndumping.

In Deutschland sagen manche schon, das ist klass, da können wir gleich die erste Ausnahme vom gesetzlichen Mindestlohn, den es in Deutschland gibt, machen. Wie der erleichterte Zugang im Detail ausschaut, das muss geklärt werden, indem sich die Experten zusammensetzen. Da gibt es von uns keine genaue Vorgabe.


Auf EU-Ebene sind Spekulationen um eine eigene Steuer zur Bewältigung der Flüchtlingskrise. Wird das von Ihnen goutiert?

Das Entscheidende ist, wie werden staatliche Aufgaben künftig finanziert?


Das sehen Sie als Hebel für Vermögens- und Erbschaftssteuern?

Ich werde nicht auf Dauer den Lohnsteuersektor auslutschen können. Es ist nicht so, dass die großen Vermögenden durch die Wirtschaftskrise 2008 ärmer geworden sind. Wir werden nicht darum herumkommen, dass große Vermögen auch einen Beitrag zur Finanzierung der Aufgaben des Staates und der Gesellschaft leisten. Daher bleiben Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer und Wertschöpfungsabgabe auf dem Tapet.


Das war zu erwarten...

Wir diskutieren aber zusätzlich auf dem Gewerkschaftstag einen Vorschlag. Die Digitalisierung führt großflächig zur Veränderung in einzelnen Branchen, vielfach ist vermehrte Arbeitslosigkeit die Folge. Gleichzeitig verdienen Konzerne, die das tun, indem sie höhere Gewinne und Wertschöpfung haben. Da erhebt sich die Frage: wie profitiert die Gesellschaft von der Digitalisierung? Eines kann nicht sein, dass man digitalisiert, ein Teil wird so qualifiziert, dass er einen Topjob hat, ein großer Teil der Leute aber verliert den Job. Gleichzeitig gibt es weniger Einnahmen und die Systeme der sozialen Sicherheit kommen ins Rutschen.


Wie wollen Sie das ändern?

Ich verlange konkret eine digitale Dividende.


Was ist das, bitte schön?

Profiteure der Digitalisierung müssen einen Teil abgeben zur Absicherung der Sozialsysteme. Das ist die politische Zielsetzung. Wie das dann konkret ausschaut, dazu werden wir Modelle entwickeln. Wir wollen und werden die digitale Dividende in den nächsten Monaten salonfähig machen.


Als Präsident der Wiener Austria haben Sie es derzeit lustiger als als SPÖ-Gewerkschafter nach der Serie von SPÖ-Wahlniederlagen. Hat Bundeskanzler SPÖ-Chef Werner Faymann noch einen Rückhalt?

Wer glaubt, wenn man eine Wahl verliert oder die politische Positionierung einer Partei nicht so ankommt, wie wir uns das wünschen, ist das mit dem Austausch von Personen gelöst, lebt am Mond. Wir haben einen Parteivorsitzenden und in vielen Punkten seine Unterstützung. Aber was die Sozialdemokratie machen muss, ist zu hinterfragen, ob die Art unserer Positionierung für die Leute verständlich ist. Ob sie inhaltlich passt und wie die Menschen das Gefühl bekommen, was wir tun, hat etwas mit der Verbesserung ihres Lebens zu tun.


Die Kritik lautet also: her mit mehr Inhalten.

Es geht darum, Konturen zu zeigen, damit wir erkannt werden. Beim Handeln ist dann zu vermitteln, dass wir alles tun, um das entsprechend umzusetzen. Das ist wie bei einer Fußballmannschaft: Solange die Leute rennen und sich zerreißen, kriegen sie auch Applaus, wenn sie ein Match nicht gewinnen. Sonst sind die Leute angefressen und pfeifen.

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