McKinsey-Experten: „An Ideen fehlt es nicht in Österreich“

(c) Stanislav Jenis
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Die McKinsey-Experten Stefan Helmcke und Emanuel Schamp geben in ihrer Studie Anleitung, wie Österreichs Wirtschaft fit für die Zukunft gemacht werden könnte. Dabei dürfe man nicht nur auf den Staat setzen, betonen sie.

In Österreich ist von Stillstand die Rede. Wie konnte es dazu kommen?

Stefan Helmcke: Die Wirtschaftsentwicklung war bis zur Finanzkrise gut, und das Land ist relativ gut aus dieser Krise herausgekommen, aber seither fallen wir im internationalen Vergleich zurück. Seit drei Jahren stagniert die Wirtschaft, weil es uns nicht gelingt, die Chancen zu nutzen, die sich unseren wichtigsten Industrien bieten.

Emanuel Schamp: Das sind unter anderem Chancen, die sich aus sogenannten disruptiven Technologien ergeben, wie etwa hoch entwickelter Robotik, dem mobilen Internet oder auch Hochleistungswertstoffen. Sowohl für die verarbeitende Industrie als auch für unseren starken Anlagenbau entstehen smarte Produkte und Services. Hier müssen Lösungen gefunden werden, um dem in Österreich starken Mittelstand einen leistbaren Zugang zu neuen Technologien zu ermöglichen.

Sie sagen, dass Österreichs Wirtschaft bis 2025 um bis zu 31 Milliarden Euro stärker wachsen könnte, wenn Bereiche wie Industrie 4.0, neue Energiesysteme oder hochwertige Materialverarbeitung konsequent angegangen werden.

Schamp: Das sind nur drei Bereiche von insgesamt acht, die aufgrund ihrer Größe und Dynamik einen Beitrag dazu leisten können, das Wachstum im Land spürbar zu stärken. In diesen Bereichen hat Österreich eine sehr gute Ausgangsbasis.

Helmcke: Ich hoffe doch, dass das BIP bis 2025 generell zulegt. Wir reden hier von einem zusätzlichen Potenzial von zehn Prozent, das gehoben werden kann. Da geht es nicht nur um Wachstum, sondern auch um mehr Produktivität und Absicherung von Kernsektoren wie Banken und Handel.

Um etwas zu verändern, braucht es durchaus eine politische Lösung.

Schamp: Natürlich ist hier auch die Politik gefragt. Zum Beispiel wachsen die Anforderungen an Aus- und Weiterbildung. Hier wird es notwendig sein, sowohl Flexibilität im Bildungssystem als auch die Bildungsmobilität weiter zu fördern.

Helmcke: Der Staat muss flankierende Maßnahmen setzen. Es ist aber nicht so, dass man immer die ganz große Strukturreform braucht, um Dinge umzusetzen. Wachstum braucht darüber hinaus vor allem auch konkrete Initiativen. Dafür geben wir auch Impulse – Initiativen, die wir morgen angehen könnten, die man relativ rasch umsetzen kann und die keiner großen politischen Weichenstellungen bedürfen. In Deutschland gibt es etwa die Initiative arbeiterkind.de, ein Netzwerk von Mentoren aus der Wirtschaft, das hilft, Bildungsmobilität zu steigern. So etwas kann auch in Österreich funktionieren. Man kann also eine Entwicklung fördern, ohne auf langfristige staatliche Interventionen zu warten.

In Ihrer Studie betonen Sie, dass es bei den Unternehmensgründungen hapert.

Helmcke: Start-ups entwickeln sich hierzulande schlechter als etwa in London oder Berlin. Sowohl bei der Anzahl der Gründungen als auch bei der Erfolgswahrscheinlichkeit.

Woran liegt das?

Helmcke: Es liegt unter anderem am fehlenden Zugang zu langfristigen Finanzierungen. Wir züchten kleine Pflänzchen, aber die wenigsten werden groß. Es fehlt an Venture Capital und Private Equity. An den Ideen fehlt es nicht. Österreich hat gute Forscher, ich denke etwa an das AKH, eine der größten Universitätskliniken. Wir machen aus diesem Know-how aber zu wenig.

Schamp: Das vorhandene Potenzial wird nicht ausreichend genutzt. Politik und Wirtschaft sollten hier viel stärker gemeinsam agieren. Die Gründerszene in Österreich könnte etwa vom Aufbau eines gemeinsamen Fonds für Venture Capital von österreichischen Industrieunternehmen und Banken profitieren – unterstützt von der Politik. Darüber hinaus könnte man Forschung und Entwicklung auch nach internationalem Vorbild durch Innovation Labs an Universitäten einrichten.

Helmcke: Das sind alles natürlich nur einzelne Beispiele, um Momentum zu erzeugen. Wenn Wirtschaft und Politik aber ernsthaft an den Erfolgsfaktoren für die Potenziale arbeiten, dann wird Österreich wieder wachsen.

Globale Trends

In ihrer Studie haben die McKinsey-Autoren globale Trends herausgefiltert und deren Relevanz für Österreich überprüft.

Wachstumschancen stecken etwa in der schlauen Fabrik (Industrie 4.0), im gut betreuten Altern, bei neuen Energien und im Gesundheitsbereich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2015)

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