Sinnlos: Unfug in der Schönheitschirurgie

(c) Dr. Vinzenz
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Nicht nur die Haut altert im Gesicht – sind Stützgewebe oder Knochenstruktur stärker vom Zahn der Zeit angegriffen, bringt ein herkömmliches Facelifting wenig. "Nicht ausreichend geübte Ärzte vergessen oft, dass die Nase auch eine Funktion hat" kritisiert Primarius Dr. Vinzenz.

Nicht immer ist schön, was als Verschönerungsmaßnahme in der kosmetischen Chirurgie gilt. Beispiel Nasenkorrektur. Das Riechorgan mag hinterher zwar durchaus optisch attraktiver sein, aber immer wieder leidet die Funktion. Konkret: Schöne Nase, aber Atembehinderungen, da zu viel des guten Stückes entfernt wurde.

Auf die Funktion vergessen

„Nicht ausreichend geübte Ärzte vergessen oft, dass die Nase auch eine Funktion hat, die schauen nur auf die Ästhetik“, kritisiert Univ.-Prof. Dr. Kurt Vinzenz, Primarius der Abteilung für Kiefer- und Gesichtschirurgie am Evangelischen Krankenhaus Wien-Währing, der beim Chirurgenkongress in Wien die erste wissenschaftliche Sitzung über die Bedeutung der Funktion in der ästhetischen Gesichtschirurgie leitet. „Esthetics follows function als Zentralthema ist die Verknüpfung von Schönheitschirurgie mit der funktionswiederherstellenden Chirurgie bei der Rehabilitation von Patienten nach Unfällen und mit angeborenen Missbildungen und bietet daraus abgeleitet neue Perspektiven für die ästhetische Gesichtschirurgie insgesamt“, so Vinzenz. (Näheres zum Chirurgenkongress unter „Chirurgen tagen“.)

Zur Sprache wird beim Kongress wohl auch die Alterung des Gesichts kommen. Nahezu seit Beginn der Medizingeschichte weiß man, dass alle Gewebe altern, also beispielsweise auch Knochen und Bänder. „Für das Gesicht aber hat man das lange und standhaft ignoriert“, sagt Vinzenz, „vor allem seitens der Schönheitschirurgie.“ Da habe man lange so getan, als würde nur die Haut altern.

So bringe ein Facelifting, also das bloße Straffen der Haut, keine wirklich befriedigenden Erfolge, wenn etwa das Stützgewebe oder die Knochenstruktur stärker gealtert seien. Konventionelle Faceliftings helfen nur dann wirklich, wenn alleine die Haut gealtert, der Rest aber gut erhalten sei. „Das sogenannte ,Sagging' im Gesicht, das Absinken, beruht meist nicht alleine auf einer Hauterschlaffung, vielmehr sinkt das gesamte Gesicht ein.“

Methodisch absurd

Wenn das Einsinken auch auf Knochenabbau beruhe, und das sei häufig der Fall, sei es methodisch absurd und ästhetisch keinesfalls zielführend, diesen Defekt mit einem sogenannten „liquid Lift“, also mit zähflüssigen Füllersubstanzen im Gesicht, beheben zu wollen. „Solcher Unfug, Knochen durch gelartige Implantate, sogenannte ,Filler', zu ersetzen, wird aber immer wieder gemacht.“ Wohl auch, weil die kosmetische Chirurgie häufig ohne jedwede Diagnose das Auslangen finde, also beispielsweise nicht eruiere, wo der Zahn der Zeit am stärksten zugeschlagen habe.

Neueste, in Erprobung befindliche Computer-Software macht es bereits jetzt möglich, das Ausmaß der jeweiligen Gewebealterung (Haut, Bänder, Muskulatur, Knochen) präzise zu quantifizieren. „Ich sehe dann, wie stark welche Struktur gealtert ist und kann gezielt entsprechende chirurgische oder andere Maßnahmen ergreifen.“ Dabei, so Vinzenz, „müssen Funktion und Ästhetik gleich gewichtet werden“. Wer die erforderlichen Operationstechniken beherrsche, könne das auf alle Fälle vereinen.

Ästhetische Gesichtschirurgie

Um dies in Zukunft gewährleisten zu können, wird ein neuer Lehrgang für ästhetische Gesichtschirurgie an der Donau-Universität Krems angeboten. „Der Lehrgang für fertige Fachärzte wird interdisziplinär durchgeführt, er ist der erste seiner Art in Europa“, berichtet Vinzenz, der der wissenschaftliche Leiter dieser Ausbildung ist. „Dann werden erstmals auch für ästhetische Chirurgie wissenschaftliche Kriterien anwendbar sein“, ergänzt Prof. Dr. Yoram Levy, international führender Facelift-Chirurg, der im Rahmen des neuen Lehrgangs ebenfalls unterrichten wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2009)

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