Das Ziel, um das sich beim Klima alles dreht

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Eine maximale Erwärmung um zwei Grad lautet das politisch postulierte Ziel. Das wird nicht erreicht, sind sich Wissenschaftler einig.

Wien. Es ist wohl die bekannteste Zahl in der Diskussion um den Klimawandel: zwei Grad. So stark soll die globale Durchschnittstemperatur gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter maximal steigen, so das Postulat der Politik. Warum diese Grenze bei zwei Grad gezogen wurde, ist nicht so klar. „Das Ziel hat im Grund keinen wissenschaftlichen Hintergrund, sondern ist vor allem ein Ziel, das sich politisch begründen lässt. Es ist ein Kompromiss aus etwas Schaffbarem und etwas Notwendigen“, sagt dazu Michael Hofstätter, Klimaforscher an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik.

Die meisten Wissenschaftler würden die Grenze, bis zu der man den derzeitigen Zustand sämtlicher globaler Ökosysteme im bisher bekannten Zustand erhalten kann, nämlich niedriger ansetzen – zwischen 1,5 und zwei Grad. Dies ergebe sich aus bekannten Extremsituationen der Vergangenheit, beispielsweise zu milden Wintern, die in den Wäldern zu einer erhöhten Population von Schädlingen führen. Wo genau diese „Kipppunkte“ liegen, könne aber nicht gesagt werden. „Drei bis vier Grad Steigerung werden für viele Ökosysteme aber definitiv zu viel sein.“

Derzeit deutet die Entwicklung jedoch eher in diese Richtung. Denn das Zwei-Grad-Ziel entspricht 425 ppm (parts per million) CO2 in der Atmosphäre. Das vorindustrielle Niveau lag bei 280 ppm, aktuell sind es 398 ppm. „Wenn wir die jetzige Emissionsrate fortführen, sind wir spätestens in 15 Jahren bei 425“, so Hofstätter. Was das bedeutet, sei regional sehr unterschiedlich. In Österreich hieße das vor allem milde Winter mit wenig Schnee. In „grenzwertigen Umfeldern“ – etwa der Sahelzone – könne die Steigerung den Lebensraum bereits unbewohnbar machen.

Dass die Temperatur seit einigen Jahren nicht weiter ansteigt, ist laut Hofstätter kein Beweis dafür, dass der Klimawandel nicht stattfinde. Er werde lediglich von natürlichen Entwicklungen überlagert. Denn das Klima sei auch von vielen natürlichen Faktoren abhängig, die zu Temperaturschwankungen führen. So sei auch die oft zitierte „römische Warmzeit“, bei der in England Wein angebaut wurde, eine klimatechnische Anomalie gewesen.

Der Zusammenhang von CO2 und der Atmosphärentemperatur sei eindeutig. Ohne diesen natürlichen Treibhauseffekt gäbe es auch gar kein Leben auf der Erde – die Temperaturen wären im Schnitt um 30 Grad niedriger. Allerdings gebe es sehr wohl noch viele Unsicherheiten bei der Klimaforschung, etwa die Rolle von Wolken. „Nehmen sie zu? Werden sie dichter? Fliegen sie höher? All das ist in den Modellen noch nicht klar darstellbar, hat aber einen großen Einfluss“, so Hofstätter. (jaz)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2015)

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