Spital Nord: Die Sinnfrage stellt sich

Ausblick Spital Nord
Ausblick Spital Nord(c) Stanislav Jenis
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Mit der Überarbeitung des Wiener Spitalskonzeptes steht das Spital Nord in Floridsdorf vor völlig neuen Voraussetzungen. Ist der Neubau unnötig erfolgt?

Wien. Die radikale Überarbeitung des Wiener Spitalskonzeptes 2030, die eine Schließung zahlreicher Abteilungen samt zugehöriger Ambulanzen vorsieht („Die Presse“ berichtete in ihrer Freitagausgabe), hat für den Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) einen unangenehmen „Nebeneffekt“: Für das Spital Nord stellt sich die Sinnfrage, weil es unter völlig anderen Voraussetzungen geplant wurde, wie Mediziner der „Presse“ berichten.

Hintergrund: Das Spital Nord wurde als Vollspital konzipiert, um die medizinische Unterversorgung jenseits der Donau zu kompensieren – wo die Bevölkerung enorm wächst, im Jahr 2020 werden dort etwa 400.000 Wiener leben.

Kein Vollspital mehr

Das überarbeitete Konzept soll deutliche Einsparungen und mehr medizinische Qualität durch die Konzentration auf Schwerpunktspitäler bringen. Das Krankenhaus Nord wird daher kein Vollspital mehr – nach „Presse“-Informationen wird der Schwerpunkt auf Nephrologie und Dialyse, Gastroenterologie, Gynäkologie, Neurologie und Schlaganfälle sowie Psychiatrie liegen. Daneben gibt es ein Herz-, Trauma- und Mutter-Kind-Zentrum, aber keine Vollversorgung mehr. Beispielsweise wird das rund eine Milliarde Euro teure Spital über keine Abteilungen für Urologie, Augenheilkunde, Dermatologie und Hals-Nasen-Ohren verfügen – mit dem Effekt, dass sich die Situation für Patienten mit derartigen Beschwerden durch das Spitalskonzept nicht verbessert, sondern sogar verschlechtert.

Wer jenseits der Donau z. B. an einer Augenkrankheit leidet, muss künftig quer durch ganz Wien bis in den dritten Bezirk reisen. Denn die Augenabteilung im Donauspital wird wegen der Spezialisierung geschlossen, im Spital Nord eröffnet doch keine Augenabteilung – als einziges Spital wird künftig die Rudolfstiftung über ein Augenzentrum verfügen. Dasselbe tritt im Bereich von dermatologischen Problemen auf.

Ein hochrangiger KAV-Mediziner, der aus verständlichen Gründen anonym bleiben möchte, findet dramatische Worte: „Das Donauspital wird abgewrackt.“ Nachsatz: „Das überarbeitete Konzept ist eine Leistungskonzentration mit einem Leistungsverlust. Das Ziel der Reform sind ganz klar Einsparungen.“

Spitalsexperten sprechen davon, dass mit dieser Reform das Krankenhaus Nord nicht hätte gebaut werden müssen: „Die Zusammenlegung kleinerer Standorte der alten Häuser steht außer Frage. Aber man hätte einen bereits bestehenden Spitalsstandort ausbauen können.“

„Millionen verschwendet“

Falls man nicht sowieso Baukosten gespart hätte, dann zumindest die (etwa 50, Anm.) Millionen für das Grundstück, auf dem Wien-Nord errichtet wurde, ist zu hören: „Die Patienten jenseits der Donau müssen bei vielen Beschwerden wegen der Reform sowieso in einen völlig anderen Teil von Wien fahren.“ Der Präsident der Wiener Ärztekammer, Thomas Szekeres, hält dazu trocken fest: „Die Überlegung bei dem Spital Nord war, die Spitäler in die Nähe der Menschen zu bringen.“

Die Überarbeitung des Spitalskonzeptes sieht auch vor, die Wiener in den reduzierten Ambulanzen bei nicht kritischen Verletzungen ganz nach hinten zur reihen, eine Liste mit niedergelassenen Ärzten in die Hand zu drücken und die Patienten vor die Wahl zu stellen: Entweder überlange Wartezeiten in der Ambulanz in Kauf zu nehmen, oder sofort zu einem niedergelassenen Arzt auf der Liste zu wechseln. Dazu Szekeres: „Was wir nicht wollen, ist, dass es lange Wartezeiten und Nachteile für Patienten gibt. Deshalb brauchen wir in vielen Bereichen deutlich mehr Kassenärzte, also etwa 300, um diese Reduktion in den Spitälern aufzufangen.“ Sonst drohe eine Mangelversorgung.

Das Wiener Spitalskonzept 2030 sieht, wie bereits 2011 kommuniziert, flächendeckende Grundversorgung durch alle Wiener Gemeindespitäler vor, also auch im Krankenhaus Nord. Auch dass alle Regionen Wiens durch Partnerspitäler umfassend und aufeinander abgestimm versorgt sein werden ist bekannt und weiterhin Teil der Planung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2015)

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