Täglich „sterben“ 14 Unternehmen

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ALPINE-BAU-INSOLVENZ: 1. GL�UBIGERVERSAMMLUNG(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Trotz niedrigen Ölpreises und niedriger Zinsen geben Experten keine Entwarnung: Dreht sich dieses Szenario und wächst die Wirtschaft, straucheln auch mehr Firmen.

Wien. Der Paukenschlag kam am letzten Novembertag: Am 30. November meldete Zielpunkt Konkurs an – der Zusammenbruch der Lebensmittelkette bildet mit Schulden von 237 Mio. Euro und 2700 betroffenen Mitarbeitern den größten Pleitefall dieses Jahres. Obwohl Zielpunkt nach wie vor auch die Öffentlichkeit dominiert – die Mitarbeiter erhalten dieser Tage vom Insolvenzfonds 5,4 Mio. Euro für Novemberlöhne und Weihnachtsgeld – ist das Jahr 2015 glimpflich verlaufen: Laut Kreditschutzverband von 1870 (KSV) ist die Zahl der Firmeninsolvenzen heuer um 5,5 Prozent auf 5126 gefallen.

Von einer Entwarnung will KSV-Experte Hans-Georg Kantner aber keineswegs sprechen. Denn täglich „sterben“ 14 Unternehmen. Auch wenn man nur die 3110 eröffneten Verfahren in Relation zu den Arbeitstagen setzt, bleiben noch immer zwölf Insolvenzverfahren pro Arbeitstag.

„Es handelt sich keinesfalls um eine Sommersonne der Konjunktur, sondern um eine Kombination von Stagnation und niedrigen Zinsen“, sagte Kantner am Mittwoch bei der Präsentation der KSV-Bilanz. Bedenklich stimme vor allem, dass das Neugeschäft in vielen Branchen stagniere und die Banken gleichzeitig nur zögerlich Kredite vergeben – viele Unternehmen konzentrierten sich auf den Werterhalt. „Wie soll da die Wirtschaft wachsen?“, fragte Kantner rhetorisch.

Für 2016 gibt sich der KSV-Experte deshalb vorsichtig: Die niedrigen Rohstoffpreise würden vor allem der Exportgüterindustrie helfen und all den Firmen, die im Bereich Automotive zu tun haben. Auch die Zinsen bleiben in Europa auf absehbare Zeit niedrig. „Daher ist kaum mit einem Anstieg der Firmeninsolvenzen zu rechnen“, sagte Kantner. Er führt jedoch ins Treffen, dass sich der Rückgang der Pleitefälle deutlich reduziert: Lagen die Insolvenzen zu Jahresmitte noch 10,4 Prozent unter dem Vergleichswert, so hat sich bis Jahresende dieses Minus halbiert. Setzt sich dieser Trend fort, dann könnten sich die Insolvenzzahlen 2016 in Richtung des Niveaus von 2014 entwickeln – also um einen geringen einstelligen Prozentsatz steigen.

(C) DiePresse

Diese Einschätzung teilt die Prisma Kreditversicherung. Sie geht in ihrer internationalen Prognose für Österreich von einer Stagnation der Insolvenzzahlen auf sehr hohem Niveau aus (siehe Grafik). „Wenn die Wirtschaft wieder zu wachsen beginnt, kann sich das Blatt schnell wenden und dann wird auch die Zahl der Pleiten wieder ansteigen“, heißt es bei Prisma.

Generell prognostizieren Prisma und Euler Hermes eine Trendwende: Erstmals nach sechs Jahren dürfte der rückläufige Trend stoppen und die Zahl der Firmenpleiten bei rund 300.000 stagnieren. Als Ursache orten die beiden Kreditversicherer die Schwellenländer, die mit zahlreichen Problemen kämpfen und daher teilweise einen starken Anstieg bei Zahlungsausfällen und Insolvenzen hinnehmen müssen. Im Schnitt geht Prisma von einem Anstieg der Firmenpleiten in den Schwellenländern von vier Prozent aus. Um denselben Wert dürften die Firmeninsolvenzen in Osteuropa zulegen.

Schlechtere Zahlungsmoral in China

Negativrekordhalter werde China mit einem Plus von 20 Prozent sein. Exporteure brauchen auf jeden Fall gute Nerven, da sich auch die Zahlungsmoral in China um rund vier Tage verschlechtert. Die Probleme der Volksrepublik dürften auch an Deutschland nicht spurlos vorbeigehen, immerhin sei China der drittwichtigste Handelspartner nach Frankreich. Generell schätzt Prisma die Situation Deutschlands aber als robust ein, dort dürften die Firmenpleiten auch im nächsten Jahr um zwei Prozent zurückgehen.

Zurück nach Österreich: Trotz Zielpunkt sank der von den Pleitefirmen hinterlassene Schuldenberg um 17,2 Prozent auf 2,4 Mrd. Euro. Die Zahl der betroffenen Dienstnehmern stieg jedoch um 1,4 Prozent auf 21.200. Die größten Pleiten waren, abgesehen von Zielpunkt, die oberösterreichische Landmaschinenfirma BISO Schrattenecker, die QuadraCir Beteiligungs GmbH, die Firmengruppe Hanro, die Bäckereigruppe Pan & Co und die Wiener Immobilienfirma Rosenthal.

Während in Wien die Firmenpleiten leicht um 1,4 Prozent zulegten, verzeichneten alle anderen Länder Rückgänge. Tirol und Vorarlberg konnten besonders vom Tourismus und der exportorientierten Industrie profitieren. (eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2015)

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