Rhythmus in der Malerei

Das Cross-over von Bildern, Klängen und Tönen markiert einen vielschichtigen Sonderweg der Moderne.

Die Verbindung von Kunst und Musik ist eine der großen Allianzen der Kunstgeschichte: Dabei hielt sich die klassische Kunst noch an die Gattungsgrenzen, um der Nachwelt die Macht der Musik in den wunderbarsten Darstellungen zu überliefern. Tizian etwa versah in "Nymphe und Schäfer" den laubbekrönten Jüngling mit einer Flöte, auf dass dieser aus dem Schatten des Bildes heraus die Angebetete mit seinem Spiel verzaubere. Jan Vermeer wiederum räumte der Musik in seinem schmalen, nicht einmal vierzig Werke umfassenden Oeuvre überraschend viel Platz ein, gab Frauenfiguren Instrumente in die Hand und machte die Musikstunde zum Haupthema einiger Bilder.

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Seitenwechsel. Das Verweishafte der Darstellung ist mit der Moderne und ihrem Bestreben, die Grenzen zu überschreiten, gefallen. Einer, der sich mit seiner Kunst an der Musik abgearbeitet hat, ist Wassily Kandinsky. "Ein Künstler, der in der wenn auch künstlerischen Nachahmung der Naturerscheinungen kein Ziel für sich sieht und ein Schöpfer ist, der seine innere Welt zum Ausdruck bringen will und muss, sieht mit Neid, wie solche Ziele in der heutigen unmateriellsten Kunst der Musik natürlich und leicht zu erreichen sind", schreibt er 1911 in "Über das Geistige in der Kunst" und meint damit nicht zuletzt sich selbst. "Es ist verständlich, dass er sich ihr zuwendet und versucht, dieselben Mittel in seiner Kunst zu finden." Kandinsky listet als Beispiele "das heutige Suchen in der Malerei nach Rhythmus, nach mathematischer, abstrakter Komposition, das heutige Schätzen der Wiederholung des farbigen Tons, der Art, in der die Farbe in Bewegung gebracht wird usw." Mittel, die er in seiner eigenen Kunst zur Anwendung brachte, um die abstrakte Malerei an das Potenzial der Musik heranzuführen. Der Dadaist Kurt Schwitters wiederum holte 1923 mit seiner "Ursonate" Klangelemente in die Literatur hinein. Bis heute zählt deren Interpretation vor allem für Musiker und Performancekünstler zu den großen Herausforderungen der Aufführungspraxis. Heutzutage scheinen die Querverbindungen zwischen den Sparten geradezu eine Gegebenheit. Es ist gleichsam State of the Art, dass Künstler in Bands spielen (Peter Weibel und sein Hotel Morphila Orchester seien hier stellvertretend genannt). Musiker treten als Künstler auf und wechseln manchmal überhaupt die Fronten, wie etwa Brian Eno, der es mit seinen "Sound Paintings" 2015 sogar zur Venedig-Biennale geschafft hat.

Reibeflächen. Der reflektierte Brückenschlag hingegen, bei dem die jeweils "andere Kunst" bald zum Material, bald zur Reibefläche, bald zur Herausforderung wird, ist auch in der Gegenwartskunst eine eigene, nicht immer öffentlich wahrgenommene Kategorie. So brauchte es beispielsweise den 90. Geburtstag als Anlass, um Friedrich Cerha einen der wichtigsten Vertreter der Neuen Musik erstmals auch mit seinem bildnerischen Schaffen umfassend vorzustellen. "Das künstlerische Arbeiten kam immer aus einem lebendigen Bedürfnis; ich musste arbeiten, so wie ich atmen muss", sagt er über den künstlerischen Teil seines Schaffens. Das Forum Frohner in Krems hat sich nun der Aufgabe gestellt, diesen Teil erstmals in größerem Umfang vorzustellen.

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Bernhard Leitner wiederum ist über die Architektur zur Arbeit mit Raum und Klang gekommen. Seit den 1960er-Jahren beschäftigt er sich damit, durch Klänge neue Räume und Raumwahrnehmungen zu erschaffen. Entsprechend beschreibt er seine Kunst als "Tonraumarchitektur". "Ton und Klang", sagt er, "sind für mich in meiner Arbeit ein skulpturales Material, mit dem Raum geformt und gestaltet wird." Das Spektrum reicht von körperbezogenen Arbeiten bis hin zu urbanen Feldern. Die Mittel und Wege dafür musste er sich in einer Art Grundlagenforschung selbst erarbeiten.

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Für Peter Hauenschild wiederum ist Musik ein Teil seiner künstlerischen Biografie. Groß geworden im aktivistischen Umfeld der Linzer Stadtwerkstatt der späten Siebzigerjahre hat er sich zunehmend auf das Zeichnen spezialisiert und dabei eine Vorliebe für Großprojekte entwickelt. Neben der langjährigen Zusammenarbeit im Duo mit Georg Ritter arbeitet er allein immer wieder an umfangreichen Zyklen. Anlässlich der Aufführung von Wagners "Ring des Nibelungen" am Linzer Musiktheater 2014/15 beschloss er, ganz in das Gesamtkunstwerk Wagner einzutauchen. Das Ergebnis ist ein Block von 800 Bleistiftblättern, bestehend aus Blindzeichnungen, die während der Proben entstanden sind, Reflexionen über philosophische und politische Implikationen der Texte sowie die Figur Richard Wagners, außerdem Studien zu den Figuren des "Rings", für die Hauenschild Musiker und Hollywood-Schauspieler vor den Vorhang bittet, Christoph Waltz und Gert Fröbe, Keith Richard oder Janis Joplin. Auch für die Vorarlbergerin Bella Angora ist Musik Bestandteil ihrer Kunst. Die Video- und Performancekünstlerin, Komponistin und Sängerin ist ein bekennendes Kind des Popzeitalters. "Musik ist ein starker Transporteur von Emotionen, mit Liedtexten lassen sich Inhalte präzise transportieren", sagt sie. Zurzeit arbeitet sie an einem Projekt über Organismen: Bilder und Töne werden dafür in einer Loop-Maschine zu einer Gesamtkomposition arrangiert, die als Kunstwerk selbst wieder einen Organismus darstellt. Ohne klassischen Anfang, ohne Ende.

Tipps

Zeitkunst St. Pölten: "Bernhard Leitner. Ton Raum - Skulptur", 5.3.-31.7.2016

Forum Frohner Krems: "Friedrich Cerha: Sequenz & Polyvalenz", 14.2.-28.3.2016

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