"Stimme des Kalifats": IS wirbt im Radio um Afghanen

Binnenflüchtlinge in Afghanistan.
Binnenflüchtlinge in Afghanistan.APA/EPA/GHULAMULLAH HABIBI
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Mit dem 90-minütigen Programm rekrutiert die Terrormiliz neue Kämpfer. Die Behörden fürchten um arbeitslose Jugendliche.

Wenn es um die Rekrutierung von neuen Kämpfern geht, ist der "Islamische Staat" (IS) kreativ. Egal ob mit Propaganda-Hochglanzmagazinen, eingänglichen Melodien oder hoch inszenierten Videoclips, die Terrormiliz versucht seine Fühler mit allen Mitteln auch in die entferntesten Winkel der Erde auszustrecken. Auch im Osten Afghanistans versucht der IS seit Kurzem, mit täglichen Radiosendungen Kämpfer zu rekrutieren und den Taliban Anhänger zu entreißen. Bei den afghanischen Behörden in der Provinz Nangarhar schrillen inzwischen die Alarmglocken.

Sie befürchten, dass die Propaganda der Extremisten vor allem bei den Jugendlichen auf fruchtbaren Boden fällt und der IS schnell Zulauf erhält. "Die meisten unserer jungen Leute sind arbeitslos, und dieser Sender wird viele Jugendliche ermuntern, sich ihnen anzuschließen", sagte Ahmad Ali Hasrat, Chef des Provinzrats von Nangarhar. Der IS stehe sieben Kilometer vor Jalalabad. Wenn die Regierung nicht bald etwas unternehme, würden die Extremisten ihre Sendungen ausweiten und sogar in Kabul Kämpfer rekrutieren, warnte er.

Bisher ist der Sender "Stimme des Kalifats" mit seinem täglichen 90-minütigen Programm vor allem in der Provinz Nangarhar zu empfangen, wo der IS den Taliban mehrere Bezirke abgerungen hat. Das Programm auf Paschtun sendet hauptächlich Interviews, Nachrichten und Lieder über den IS.

"Lippenstift-Jugendliche" als IS-Anhänger

In einer Sendung bemühte sich der IS, den negativen Ruf der Gruppe wegen ihrer extremen Gewaltakte aufzupolieren. "Es gibt viele Projekte, um uns zu diffamieren", sagte ein Sprecher, der sich Jan Aka Shafak nannte. "Die meisten unserer jungen Generation, diese 'Lippenstift-Jugendlichen', die sich gründlich rasieren und Sachen tragen, die sie nicht von Frauen unterscheiden, die machen solche Propaganda", sagte er.

Der IS ist noch ein junges Phänomen in Afghanistan, wo vor allem die Taliban den fundamentalistischen Teil der Muslime repräsentieren. Über die Stärke des IS am Hindukusch und über seine Verbindungen zum Kern der Organisation in Syrien und im Irak ist noch wenig bekannt. In Sicherheitskreisen heißt es, viele Mitglieder seien frühere Talibankämpfer, die sich mit der gegenwärtigen Führung überworfen hätten oder ein extremeres militärisches Vorgehen befürworteten.

Vergangene Woche sagte der Kommandant der internationalen Streitkräfte in Afghanistan, US-General John Campbell, es gebe 1000 bis 3000 IS-Kämpfer in dem Land. Wenn sie nicht unter Kontrolle gehalten würden, werde sich ihr Einfluss rasch ausdehnen, warnte er.

Taliban töten NATO-Soldaten

Die Regierung dürfte mit der jüngsten Offensive der Taliban und dem gleichzeitigen Erstarken des IS überfordert sein. "Ich kann nicht länger schweigen. Helmand steht kurz vor dem Fall", schrieb Vizegouverneur Mohammed Jan Rasuljar am Sonntag über das Online-Netzwerk Facebook an Präsident Ashraf Ghani. Die islamistische Rebellenbewegung hat ihre Angriffe seit dem Sommer deutlich verstärkt. Vor allem der Bezirk Sangin in Helmand ist seit Tagen heftig umkämpft.

Im Nordosten Afghanistans sind bei einem Anschlag nahe der US-Militärbasis Bagram am Montag mehrere Soldaten ums Leben gekommen. Die radikalislamischen Taliban teilten in einer Botschaft mit, sie hätten 19 Amerikaner getötet. Von offizieller afghanischer Seite heißt es, sechs NATO-Soldaten seien getötet, jeweils drei weitere afghanische und amerikanische Soldaten seien verletzt worden. Zur Nationalität der Opfer gibt es noch keine Details.

Afghanische Medien berichteten, der Anschlag sei gegen eine gemeinsame Patrouille afghanischer und US-amerikanischer Soldaten gerichtet gewesen. Ein Selbstmordattentäter auf einem Motorrad habe sich neben der Patrouille in die Luft gesprengt, sagte Mohammad Asem, Gouverneur Provinz Parwan.

(APA/Reuters)

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