China: Riesenerdrutsch in Millionenstadt

Am Schauplatz der Schlammflut, in die sich ein gewaltiger Berg aus Aushubmaterial nach starkem Regen verwandelt hat.
Am Schauplatz der Schlammflut, in die sich ein gewaltiger Berg aus Aushubmaterial nach starkem Regen verwandelt hat.(c) APA/AFP/STR (STR)
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Mehr als 90 Vermisste nach Kollaps eines 100 Meter hohen Schutthaufens in Shenzhen. Die Behörden beschwichtigen.

Shenzhen/Peking. Auf den Luftbildern des Staatsfernsehens ist so viel Geröll und Schlamm zu sehen, als habe sich ein Berg verflüssigt und über die Ebene gewälzt. Schon im nächsten Schnitt erscheint der Einsatzleiter, der beschwichtigt: „Ja, die Bilder sind furchtbar.“ 13 Verletzte seien in eine Klinik gebracht worden, drei davon schwebten in Lebensgefahr. Rund 90 Menschen würden vermisst. Aber es gebe noch keine Toten zu beklagen.

Eine Schlammlawine hatte am Sonntagmittag in der südchinesischen Zehn-Millionen-Einwohner-Metropole Shenzhen nördlich von Hongkong mindestens 31 Gebäude begraben. Wie die lokalen Behörden berichten, hatte Regen den Boden eines Berges so aufgeweicht, dass er zusammensackte. Laut Nachrichtenagentur Xinhua türme sich Schlamm auf einer Fläche von über 60.000 Quadratmeter bis zu sechs Metern hoch. Obwohl sich das Unglücksgebiet unmittelbar im Stadtgebiet befindet, sollen Wohnhäuser nicht betroffen sein. Bei den meisten verschütteten Gebäuden handle es sich um Fabriken und Lager. Zeugen berichten, es habe ein lautes Grollen gegeben, dann seien Massen aus roter Erde und braunem Schlamm in die Industriezone gerollt und hätten sie unter sich begraben. Einige Gebäude kollabierten wie Kartenhäuser.

Arbeiterbaracken verschüttet

Eine Lokalzeitung berichtete, mindestens zwei Baracken seien eingestürzt, in denen wahrscheinlich Arbeiter untergebracht waren. Dort vermutet man die meisten Vermissten, nach ihnen wird gesucht. 1500 Retter sollen mit Kränen, Baggern und anderer Ausrüstung im Einsatz sein. Zudem soll auch noch eine Gaspipeline explodiert sein.

Der Berg war in Wahrheit ein etwa 100 Meter hoher Hügel aus Bauschutt und Erdaushub, den Arbeiter über zwei Jahre aufgeschüttet hatten. „Er war zu groß und steil, die Folge war Instabilität“, so ein Behördenvertreter. Gegen die Baufirmen wird ermittelt. Sie sollen den Schutt nicht abgesichert haben.

In China kommt es oft zu schweren Arbeitsunfällen und Katastrophen. Oft werden Sicherheitsnormen zu wenig befolgt, wird schlampig gearbeitet oder unzureichend über Gefahren aufgeklärt. Im August war in der Hafenstadt Tianjin ein Chemielager explodiert, weil bei einem zunächst begrenzten Brand die Feuerwehr nicht informiert war: Sie hatte Wasser verspritzt, obwohl dort Chemikalien lagerten, die bei Wasserkontakt explodieren. Folge: über 200 Tote.

Shenzhen war lang besonders berücksichtigt für Arbeitsunfälle. Ob der vielen Fabriken und Manufakturen vor allem in der Kleinelektronik, Spielzeug- und Textilindustrie, galt die Gegend als Werkbank der Welt. 1980 hat die Regierung die Stadt vor den Toren der damaligen britischen Kronkolonie Hongkong als Sonderwirtschaftszone gegründet. Heute ist sie eine der reichsten Städte Chinas, unter anderem haben die Technologiekonzerne Huawei, TCL und Tencent dort ihren Hauptsitz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2015)

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