Alois Stöger folgt Rudolf Hundstorfer. Für einen, der längst abgelöst sein sollte, ist das ein beachtlicher Sprung.
Wien. Jetzt ist er immer noch da. Obwohl die wenigsten damit gerechnet hätten: Zu ruhig, zu hölzern, zu unauffällig sei er für ein Regierungsamt, hieß es immer wieder. Mehrmals wurde er als Ablösekandidat gehandelt. Doch nun soll Alois Stöger das dritte Ministerium seiner Laufbahn übernehmen. Es handelt sich um eines der wichtigsten, wenn nicht das wichtigste für die SPÖ.
Offiziell wird es am Freitag, nach den Sitzungen der Parteigremien: Rudolf Hundstorfer wird Präsidentschaftskandidat der SPÖ und übergibt das Sozialministerium an Stöger, dessen Infrastrukturagenden Gerald Klug übernimmt. Neuer Verteidigungsminister wird der Burgenländer Hans Peter Doskozil (siehe Bericht auf Seite 3).
Lieber im Hintergrund
Was Stöger für diesen Job qualifiziert? Der 55-jährige Oberösterreicher, ein gelernter Werkzeugmacher, ist tief im Gewerkschaftsbund (ÖGB) verwurzelt. Das ist die wichtigste Voraussetzung für diesen Job. Da ÖGB-Präsident Erich Foglar und der Chef der Privatangestellten-Gewerkschaft, Wolfgang Katzian, keine Ambitionen auf ein Regierungsamt haben, blieben nicht viele Optionen. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser, ehemals ÖGB-Vizepräsidentin, war eine Kandidatin. Doch sie ist unerfahrener als Stöger und hat eine schwere Erkrankung hinter sich. Deshalb fiel Foglars Wahl auf Stöger.
Wenn er schon kein großer Verkäufer ist, so eilt Stöger aus seiner Zeit im Gesundheitsministerium doch der Ruf eines fleißigen Arbeiters und guten Verhandlers voraus. An einer Gesundheitsreform, mit der sowohl die Länder als auch die Krankenkassen einverstanden sind, waren alle seine Vorgänger gescheitert. Stöger aber brachte einen beachtlichen Kompromiss zustande – und machte alle Ablösegerüchte, die es in den ersten Jahren seiner Amtszeit gegeben hatte, vergessen.
Dennoch: Nach der Nationalratswahl 2013 waren sich alle Beobachter einig gewesen, dass Stöger nicht Mitglied der nächsten Regierung sein würde. Zwischenzeitlich war kolportiert worden, die Gesundheitsagenden könnten in das Sozialministerium zu Hundstorfer verschoben werden. Immerhin gibt es im Bereich der Sozialversicherungen etliche Überschneidungen. Doch zur allgemeinen Überraschung blieb Stöger Gesundheitsminister. Faymann brauchte, auch im Hinblick auf die Landtagswahl im Herbst 2015, einen Oberösterreicher in der Regierung.
Als im Sommer 2014 Nationalratspräsidentin Barbara Prammer verstarb und Doris Bures an die Parlamentsspitze wechselte, wurde Stöger vom Kanzler ins Infrastrukturministerium geschickt. Selbst enge Mitarbeiter waren überrascht, als die Rochade via „Kronen Zeitung“ verkündet wurde. Stöger kommentierte das Ganze relativ trocken: „Totgesagte leben länger.“
Allzu große Spuren hinterließ er im Verkehrsministerium in den vergangenen eineinhalb Jahren nicht. Immerhin brachte er die Breitbandmilliarde auf den Weg. Zwischenzeitlich, nach der Oberösterreich-Wahl im September und der Wien-Wahl im Oktober, tauchten erneut Gerüchte über eine Regierungsumbildung auf. Wieder war Stöger – in den Medien – das programmierte Opfer. Dieses Mal sollte er in die Heimat geschickt werden, um beim Wiederaufbau der oberösterreichischen SPÖ zu helfen. Es kam, wie man weiß, ganz anders.
Streit mit der ÖVP programmiert
Sein neues Ressort ist Stögers bisher größte Herausforderung. Budgetär ist es mit dem Infrastrukturministerium vergleichbar, inhaltlich aber noch einmal umfangreicher. Vor allem sind die Themen heikler. Am 29. Februar wollen SPÖ und ÖVP entscheiden, ob weitere Maßnahmen im Pensionssystem nötig sind – der nächste Koalitionsstreit ist hier bereits programmiert. Denn während die ÖVP etwa das Frauenpensionsalter früher als geplant erhöhen will, bleibt die SPÖ bei ihrem Zeitplan.
Daneben hat die Flüchtlingskrise zu einer grundsätzlichen Debatte über die Mindestsicherung geführt. Auch hier verlangt die ÖVP weitreichende Reformen. Diese sind aber auch vom neuen Sozialminister eher nicht zu erwarten. Denn Stöger ist, wie Hundstorfer, ein Mann des Systems – des sozialpartnerschaftlichen Systems. Wäre er ein Revoluzzer, dann hätte er diesen Job nicht bekommen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2016)