ÖBB: Der Schatten-Generaldirektor

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Das Beraterunternehmen Roland Berger soll die ÖBB sanieren. Trotzdem artete die Bestellung des Beraters zum ÖBB-internen Machtkampf aus: Aufsichtsratschef Pöchhacker gegen den Rest.

Manche Dinge hängt man einfach nicht an die große Glocke. Entweder, weil sie generell kein besonderes Ruhmesblatt sind. Oder weil sie politisch ordentlich Staub aufwirbeln könnten. Oder beides.

Es begab sich also, dass am Dienstag ein kleiner, erlesener Kreis von ÖBB-Granden zusammentraf, um einerseits Wegweisendes, andererseits Geheimes zu beschließen. Erstens: Die staatlichen Bundesbahnen, die es im vergangenen Jahr auf einen Rekordverlust von 965,9 Millionen Euro gebracht haben, vertrauen ab sofort auf Experten von außen, um den Karren wieder flottzukriegen. Zweitens: Unternehmensberater Roland Berger wurde mit der Durchführung des „Sanierungsprogramms“ betraut. Und drittens: Die ÖBB werden dafür rund 900.000 Euro bezahlen.

Das ist für den blutenden Steuerzahler natürlich ein schwer zu verdauender Brocken. Wobei: Es geht immerhin um ein Einsparungsziel bei den ÖBB im Ausmaß von 200 Millionen Euro. Und: Es hätte auch teurer kommen können – hätte sich ÖBB-Aufsichtsratspräsident Horst Pöchhacker durchgesetzt. Hat er aber nicht. Was wiederum dem Infrastrukturministerium von Doris Bures zu verdanken sein soll.

Bures soll schon seit Längerem Probleme mit Pöchhacker haben. Durchaus machtbewusst soll er sein, und Bures soll Pöchhackers Umtriebigkeit im ÖBB-Konzern mit wachsendem Unbehagen beobachten: Unter dem sehr ruhigen, nachgerade introvertierten SPÖ-nahen ÖBB-Chef Peter Klugar geriere sich der ebenfalls „rote“ Pöchhacker zunehmend als „heimlicher Generaldirektor“, heißt es. Mit dem Ergebnis, dass wichtige und dringende Entscheidungen im Konzern bisweilen zur schweren Geburt werden.

Die Sache mit dem zu bestellenden Unternehmensberater war so ein Fall. Eigentlich kein besonders komplizierter Vorgang – doch dank Pöchhacker artete die Angelegenheit zu einem Machtkampf im Konzern aus.

Der Reihe nach: Mitte Mai beschloss der ÖBB-Vorstand, den „Problembären“ ÖBB in die kompetenten Hände eines Unternehmensberaters zu geben. Es folgte eine „beschränkte Ausschreibung“ – zehn Unternehmen wurden zur Bewerbung eingeladen. In die Endrunde schafften es schließlich fünf Berater – McKinsey, Arthur D. Little, AT Kearney, Roland Berger und PricewaterhouseCoopers.

Die fünf präsentierten Anfang Juni ihre Konzepte, und Roland Berger war rasch als Top-Bieter ausgemacht: Mit einem Preis von rund 900.000 Euro war er deutlich günstiger als Konkurrent McKinsey, der 1,3 Millionen Euro für den Job veranschlagte.

So weit, so klar.

Oder auch nicht. Denn während die drei ÖBB-Vorstände Peter Klugar, Josef Halbmayr und Gustav Poschalko sich umgehend für Roland Berger aussprachen, hatte Pöchhacker so seine Bedenken. Hinter den Kulissen soll er sich jedenfalls vehement für McKinsey stark gemacht haben. Jenes Beraterunternehmen, auf dessen Dienste die ÖBB schon seit Jahrzehnten immer wieder in Detailfragen vertrauen. Offensichtlich mit überschaubarem Erfolg.

Doch Pöchhacker war offenbar nicht geneigt, klein beizugeben: Zuerst wurde die Ausschreibung – angeblich wegen Formalfehlers – wiederholt. Was an der Reihung aber nichts änderte. Dann, als am Dienstag, dem 16. Juni, der ÖBB-Aufsichtsrat tagte, ließ Pöchhacker das Thema „Unternehmensberater“ kurzerhand von der Tagesordnung nehmen. Angeblich, weil „wichtige Aufsichtsräte“ nicht zugegen waren.

ÖBB-Chef Peter Klugar ließ es sich angesichts der wirtschaftlich brenzligen Situation des Konzerns dennoch nicht nehmen, über die Angelegenheit kurz zu referieren – und seine Präferenz für das Roland-Berger-Konzept zu deponieren, das inhaltlich und preislich den anderen überlegen sei. Es folgte schließlich der Beschluss, dass der ÖBB-Vorstand eine Woche später gemeinsam mit dem Aufsichtsratspräsidium über die Sache entscheiden werde.

Derweil scheint Pöchhacker keine Gelegenheit ausgelassen zu haben, gegen Roland Berger zu intervenieren. Sein letzter vermeintlicher „Trumpf“: Roland Berger will den Job gemeinsam mit dem Beraterunternehmen „Management Factory“ machen – und dort sitzt Martin Schwarzböck, Sohn des ehemaligen Landwirtschaftskammer-Präsidenten Rudolf Schwarzböck. Für Pöchhacker eine klare Sache: Ein „Schwarzer“ dürfe an dem lukrativen Auftrag nicht mitnaschen. Erst die Intervention des mächtigen Raiffeisen-Bosses (und Pöchhacker-Freundes) Christian Konrad konnte Pöchhacker wieder in die Schranken weisen.

Letztlich sprach aber das Bures-Ministerium ein Machtwort: Pöchhacker solle den Vorstand arbeiten – und vor allem entscheiden – lassen, so die einigermaßen grantige Weisung.

Angeblich soll Bures mit ihrer Geduld ziemlich am Ende sein – zumal Pöchhacker, wie berichtet, am Donnerstag kurzerhand ÖBB-Vorstand Poschalko mitteilte, dass auf dessen Dienste per Jahresende verzichtet werde. Dennoch scheint Pöchhacker fest im Sattel zu sitzen: Er ist ein enger Vertrauter von SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann, und da hat Bures keine Chance.

Da hat's die ÖVP schon leichter. Ihr Vertreter im ÖBB-Aufsichtsratspräsidium, Eduard Saxinger, wird Mitte Juli verabschiedet – lange schon ist die ÖVP mit seiner „Performance“ unzufrieden. Dafür gibt es beim Thema Saxinger-Nachfolger eher Probleme: Der frühere ÖVP-Staatssekretär im Verkehrsministerium, Helmut Kukacka, würde den Job rasend gerne machen. Doch die Partei ist skeptisch – um nicht zu sagen: abgeneigt.

ÖVP-Chef Josef Pröll suchte schon vor Monaten eine Alternative zu Kukacka und fand sie in Herbert Paierl. Ein nachgerade perfekter Kandidat für Pröll: Paierl, einst steirischer ÖVP-Finanzlandesrat, hätte ja ursprünglich Wirtschaftsminister werden sollen, doch Pröll setzte sich damit in der Partei nicht durch. Jetzt soll Paierl, auf den Pröll große Stücke hält, wenigstens die Eigentümerinteressen im ÖBB-Aufsichtsrat vertreten.

Doch ganz so reibungslos, wie Pröll sich das vorgestellt hat, wird es auch diesmal nicht gehen: Zwar hat er schon vor längerer Zeit Paierl den Job angeboten – dieser hat auch zugesagt. Doch dann wechselte Paierl vom Mittelstandsfinanzierer UIAG zum Magna-Konzern – und damit wackelt Paierls Zukunft bei den ÖBB neuerlich ein wenig. Helmut Kukacka soll sich wieder gute Chancen ausrechnen.

auf einen blick

Die staatlichen ÖBB mussten im vergangenen Jahr einen Rekordverlust von 965,9 Millionen Euro hinnehmen. Ende April kündigte ÖBB-Chef Peter Klugar an, dass es zu einem „Sparprogramm“ kommen soll, Ziel seien Einsparungen von 200 Millionen Euro. Jetzt wurde dafür das Beraterunternehmen Roland Berger engagiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2009)

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