Auch wirkungslose Arzneimittel können heilen

Noch immer wird der Placebo-Effekt auch in Ärztekreisen unterschätzt.

Der sogenannte Placebo-Effekt – also die Annahme, dass auch wirkungslose Pillen helfen können – ist in der Medizin weithin bekannt, vielfach untersucht und umstritten. Viele Ärzte bleiben dabei, dass es sich beim Placebo-Effekt um Einbildung handelt, dass einfach nicht sein könne, was nicht sein darf, dass ein Scheinmedikament ohne jeden pharmakologischen Wirkstoff wirkt. So wird der Placebo-Effekt noch immer stark unterschätzt, obwohl Placebo-Wirkungen im Hirn und in der Anatomie nachweisbar sind.
Einen der vielen Erklärungsversuche liefert Manfred Poser in dem Buch „Der Placebo-Effekt. Wie die Seele den Körper heilt“ (Crotona-Verlag, 256 Seiten, 20,40 Euro). „Der Placebo-Effekt könnte als Begriff dann verschwinden, wenn alle wüssten, dass der Körper sich selbst heilt, dass die Pille überschätzt wird“, schreibt er. Bei der Schmerzbekämpfung sei der Placebo-Effekt eine probate Methode, um das eigene Opiatnetzwerk zu aktivieren, so der Autor, der großes Augenmerk auf den Einfluss geistig-seelischer Faktoren legt.

Den verblüffenden Zusammenhängen zwischen der Psyche und der Heilkraft des Körpers widmet sich auch Antje Maly-Samiralow in ihrem Buch „Das Prinzip Placebo. Wie positive Erwartungen gesund machen“ (Knaur-Verlag, 256 Seiten, 18,50 Euro). Was heilt, sei unter anderem die Zuversicht – wie sonst könnten beispielsweise Scheinoperationen am Knie mitunter so wie echte chirurgische Eingriffe wirken?

Auch wenn sich also Mediziner und Wissenschaftler über den Placebo-Effekt nicht wirklich einig sind, bei der Zulassung neuer Medikamente spielt er eine entscheidende Rolle. Vor jeder Zulassung werden Medikamente erst an Tieren und dann in Studien an Menschen getestet. Insgesamt gibt es in Österreich zwischen 300 und 500 klinische Studien im Jahr. Rund 50 neue Wirkstoffe dürften heuer laut Österreichischer Apothekerkammer die Zulassung erhalten.

Schwarzes Dreieck für neue Arzneien. Auch nach der Zulassung werden neue Medikamente kontinuierlich weiter überwacht, bewertet, evaluiert – das ist die Pharmakovigilanz. Ein schwarzes Dreieck mit der Spitze nach unten kennzeichnet seit September 2013 alle neuen Medikamente, die damit einer zusätzlichen Überwachung in der Pharmakovigilanz unterliegen. Das Dreieck ist nicht auf der Packung selbst angebracht, sondern auf der Gebrauchsinformation. In Österreich ist die Ages Medizinmarktaufsicht für die Zulassung und Überwachung von Arzneimitteln und Medizinprodukten verantwortlich.
Infos zur Pharmakovigilanz unter www.basg.gv.at/pharmakovigilanz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2016)

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