Die Behörden etlicher Länder warnen mittlerweile vor dem Virus. Viel Regen hat die Überträgermücken zu einer Dauerplage gemacht.
Buenos Aires. Wenn Brasiliens Präsidenten Handlungskraft demonstrieren wollen, dann schicken sie Soldaten. Um Drogengangs zu bekämpfen oder Indigene und Bauern auseinander zu halten. Nun sollen Tausende Armeeangehörige Mücken vernichten. Doch die Bilder aus dem Nordosten des Landes, die Uniformierte inmitten von Giftnebeln zeigen, dokumentieren eher amtliche Hilflosigkeit als konkrete Lösungen. Denn ganz Brasilien weiß seit Jahrzehnten, dass die Insektizide bestenfalls die fliegenden Moskitos beseitigen. Aber nicht deren Eier. Und dass binnen Wochen neue Mücken schlüpfen werden, neue Überträger tropischer Viren wie Dengue, Chikungunya und Zika.
Derzeit ist es vor allem der Zika-Erreger, der Behörden und Bevölkerung besorgt. Von Brasilien ausgehend wurde er inzwischen in 20 Staaten der Region nachgewiesen. Bereits 1947 in Ostafrika beschrieben, wurde das Virus bislang zu den eher harmloseren Verursachern von Tropenkrankheiten gezählt. Wer von einer infizierten Mücke gestochen wird, spürt zumeist nicht viel mehr als Juckreiz um die Einstichstelle, und die Haut zeigt eine gewisse Rötung. Doch seitdem im November im nordostbrasilianischen Staat Pernambuco übermäßig viele Babys mit der seltenen Hirnschädigung Mikrozephalie geboren wurden, vermuten die Gesundheitsbehörden einen Zusammenhang mit dem Virus, das wohl aus Polynesien nach Brasilien kam, eingeschleppt offenbar von Besuchern der Fußball-WM 2014. Inzwischen wurden in Brasilien etwa 3900 Mikrozephalie-Fälle registriert. Kinder mit Mikrozephalie kommen mit kleineren Köpfen zur Welt als gesunde Neugeborene. Hirnfunktionen sind geschädigt, die Kinder leiden an Krämpfen und erheblicher Unruhe.
Kinderwunsch verschieben
Bislang sind zwei Zika-Epidemien registriert worden, beide betrafen dünn besiedelte Inseln im Südpazifik. Nun hat sich das Virus erstmals in einem großen Land ausgebreitet – und wird von Flugreisenden wahrscheinlich in alle Länder des Kontinents gebracht werden. Allein Kanada und Chile könnten von dieser Plage verschont bleiben, verlautbarte die Weltgesundheitsorganisation WHO. Auch wenn bislang außerhalb Brasiliens keine Häufung von Mikrozephalie-Fällen bekannt wurde, haben viele Regierungen der Region ihre Bevölkerung gewarnt. Kolumbien, Ecuador, Jamaika und El Salvador empfehlen Frauen, ihren Kinderwunsch aufzuschieben. Ärzte raten Schwangeren von Reisen ins tropische Südamerika ab.
In Teilen des Subkontinents hat das Klimaphänomen El Niño heuer überdurschnittlich viel Regen gebracht, was überdurchschnittlich viele Moskitos hervorbrachte, auch jene der Spezies Aedes Aegypti. Diese Mücke, die ursprünglich vom Nil kam, hat sich zur Dauerplage in Tropen und Subtropen entwickelt. Die vier Millimeter langen Tiere fliegen fast lautlos und attackieren tagsüber mit stets mehreren Stichen.
Alle Versuche, der Mücke Herr zu werden, sind gescheitert. Sprühkampagnen haben nicht viel mehr als den psychologischen Effekt der Beruhigung. Wissenschaftler versuchen nun den Einsatz von Gentechnik. In der Stadt Piracicaba im Bundesstaat São Paulo konnte die Ausbringung von genetisch veränderten Moskito-Männchen den Mückenbefall um 82 Prozent senken.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2016)