Michael Häupl, der rote Kitt

Was der Bürgermeister unter Einigkeit versteht.

Alle sind sich einig. Das ist also das Ergebnis der zweitägigen Klausur der Wiener SPÖ in der Asylfrage, das Bürgermeister Michael Häupl gestern vorlegte. Der Zickzackkurs der Partei in den vergangenen Wochen? Quasi eine Illusion.

Deshalb hier sicherheitshalber eine kurze Erinnerung an das Verwirrstück in mehreren Akten. Erster Akt: Häupl verhandelte beim Asylgipfel den Richtwert vulgo die Obergrenze für Flüchtlinge mit. Zweiter Akt: Mehrere SPÖ-Stadträtinnen kritisierten das Papier und damit implizit ihren Chef. Dritter Akt: Dieser kritisierte retour, distanzierte sich aber gleichzeitig von dem Papier, das er selbst unterschrieben hatte. Vierter Akt: Die SPÖ richtete aus, dass die Kritik der Stadträtinnen intern, also mit Häupl, abgesprochen war. Und: Es gebe keinen Streit. Punkt.


Diesem letzten Satz wurde gestern ein Rufzeichen hinzugefügt. Viel wahrer wird er dadurch nicht. Denn die Bruchlinien in der Wiener SPÖ sind schon lange sichtbar. Nicht nur die Stadt, auch die Partei ist in der Flüchtlingsfrage geteilt. Das „Wir sind die Guten“-Motto hat zwar temporär als einigende Emotion funktioniert, aber der Alltag ist halt kein Wahlkampf. Da geht es nicht um Plakate, sondern um Wohn- und Arbeitsplätze und Standorte für Flüchtlingsheime. Für einen Teil der SPÖ, vor allem in den äußeren Bezirken, ist hier Schluss mit „Willkommen“, während der andere gerade jetzt Haltung einfordert.

Michael Häupl ist vermutlich die einzige Klammer, die diese beiden Blöcke zusammenhält; seine grantige Autorität, seine launigen Sager sind bewährter Kitt. Aber spätestens nach der Häupl-Ära wird sich die Wiener Partei entscheiden müssen, in welche Richtung sie gehen will. Eigentlich.

Derzeit übt man sich aber noch in Balanceakten: Häupl versucht, wie die Bundes-SPÖ, inhaltlich den Spagat zwischen hart und zart. Strukturell versucht man vor allem, den Wählerschwund in Richtung FPÖ zu stoppen: durch – Überraschung – mehr Nähe zum Bürger. So soll es direkte SPÖ-Ansprechpartner in den Grätzeln geben. Das ist ehrlicher, als wenn die SPÖ als Stadtverwaltung dem Bürger naherückt. Die Idee ist erwartbar, aber richtig. Nur: Vor einer richtigen Richtungsentscheidung rettet sie die Wiener SPÖ nicht.

ulrike.weiser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2016)

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