Sozialist Pedro Sánchez soll neuer Regierungschef werden. Keiner weiß, ob er das schafft.
Madrid. Pedro Sánchez hat nun den Schlüssel in der Hand. Nachdem Spaniens König Felipe den Sozialistenchef mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragte, schaut die ganze Nation auf den charismatischen 43-Jährigen. Angesichts des politischen Patts im Königreich hat er eine fast unmögliche Mission vor sich, niemand weiß, wie er eine Mehrheit im Parlament erreichen kann. Doch der smarte Sozialist mit dem gewinnenden Lächeln vollbrachte schon einmal ein Wunder: Vor 18 Monaten eroberte der parlamentarische Hinterbänkler im Handstreich den Parteivorsitz – was ihm zuvor niemand zugetraut hatte.
„Pedro el guapo – Pedro der Hübsche“, wird Sánchez wegen seines Sonnyboy-Images auch genannt. Am liebsten springt der sportliche 1,90-Meter-Mann, der als Student ein guter Basketballspieler war, in Jeans, weißem Hemd und legerem Jackett auf die politische Bühne. Er ist ein guter Redner, selbstbewusst, tritt staatsmännisch auf. Ist dazu noch ein promovierter Wirtschaftswissenschaftler. Keine schlechten Voraussetzungen, um als Ministerpräsident die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Eurozone zu regieren.
Verfahrene Lage
Doch um dieses Ziel zu erreichen, wird Sánchez noch etwas mehr brauchen als sein berühmtes Lächeln. Die politische Lage ist so verfahren wie noch nie: Seit sieben Wochen ringt Spanien um eine neue Regierung. Und es sieht nicht so aus, als ob Sánchez, dem bisherigen Oppositionsführer, eine schnelle Regierungsbildung gelingen wird, um das Land aus diesem Stillstand herauszuführen. Ein Stillstand, der mit Sorgen gesehen wird, da das Krisenland mit seiner Massenarbeitslosigkeit und den immer noch steigenden Staatsschulden dringend Reformen braucht.
Der bisherige konservative Ministerpräsident, Mariano Rajoy, hatte in der Parlamentswahl im Dezember seine absolute Mehrheit verloren und nur 29 Prozent der Stimmen geholt – Quittung für eine Serie von Korruptionsskandalen in den eigenen Reihen. Wegen der Schmiergeldvorwürfe will keine Oppositionspartei den Konservativen die Hand reichen und mit ihnen paktieren. Deswegen musste Rajoy schließlich aufgeben und dem Sozialisten Sánchez, dessen sozialdemokratisch ausgerichtete Partei bei der Wahl 22 Prozent holte, den Vortritt lassen.
Doch auch Sánchez weiß noch nicht, ob er es wirklich schaffen wird, eine „Regierung des Wechsels“ zusammenzuschweißen. Das Parlament ist zersplittert und zerstritten. Er wolle „mit allen politischen Kräften“ sprechen, gab sich Sánchez versöhnlich. Stellte aber zugleich klar, dass ein Pakt der „demokratischen Erneuerung“ Rajoys Konservative nicht einschließen werde. Die korruptionsbelastete Partei müsse sich erst einmal selbst erneuern und gehöre daher auf die Oppositionsbank. Sánchez erklärte: „Rajoy ist zu einem Problem für die Demokratie geworden.“
Koalition mit Podemos?
Am wahrscheinlichsten scheint eine Mitte-links-Koalition aus Sozialisten und der linksalternativen Protestbewegung Podemos (Wir können), die mit 21 Prozent drittstärkste Kraft wurde. Auch wenn es gegen diese Allianz in Sánchez' eigener Partei Widerstand gibt – zum Teil von sehr einflussreichen Vertretern der Sozialisten, allen voran dem früheren Premier Felipe González. Und auch, obwohl sie im Parlament neben Podemos noch weitere Unterstützung bräuchte.
Kaum andere Optionen
Aber andere Optionen gibt es kaum: Die liberal-bürgerliche Partei Ciudadanos (Bürger), mit 14 Prozent viertstärkste Fraktion, will nicht mitregieren. Und die separatistischen Parteien aus Katalonien, welche die Unabhängigkeit ihrer Region fordern, will Sánchez nicht ins Boot holen.
Angesichts dieser verfahrenen Lage dürften die Verhandlungen noch Wochen dauern und eine Gratwanderung werden. Parlamentspräsident Patxi López hat schon angekündigt, dem Sozialisten diese Zeit einräumen zu wollen. Sánchez vertraut darauf, dass sich schließlich der Wunsch der Mehrheit nach einer „Regierung des Fortschritts“ durchsetzt. Schließlich hätten die Bürger, von denen 71 Prozent gegen Rajoy stimmten, „den Wechsel gewählt“. Sollte Sánchez' schwierige Regierungsmission scheitern, drohen im Sommer Neuwahlen.
AUF EINEN BLICK
Seit sieben Wochen ringt Spanien um eine neue Regierung. Der bisherige konservative Premier, Mariano Rajoy, der bei den Wahlen zwar die meisten Sitze gewann, aber die absolute Mehrheit verlor, ist in seinen Bemühungen gescheitert. Nun soll es der bisherige Oppositionsführer, Sozialistenchef Pedro Sánchez, versuchen. Als wahrscheinlichste Variante gilt eine Mitte-links-Koalition aus Sozialisten und der Protestbewegung Podemos. Doch auch dagegen regt sich Widerstand.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2016)