Kampf um Mehrheit: Spanien drohen Neuwahlen

Hitzige Parlamentsdebatte über das Regierungsprogramm. Pablo Iglesias, Chef der linken Partei Podemos, ließ sich vom Sozialisten Sánchez nicht überzeugen.
Hitzige Parlamentsdebatte über das Regierungsprogramm. Pablo Iglesias, Chef der linken Partei Podemos, ließ sich vom Sozialisten Sánchez nicht überzeugen. (c) REUTERS (ANDREA COMAS)
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Sozialist Sánchez hatte Schwierigkeiten, genügend Abgeordnete von einer Regierung des Wandels zu überzeugen. Der politische Stillstand scheint prolongiert.

Madrid. Es ist eine Abstimmung, deren Scheitern bereits angesagt schien und die den politischen Stillstand Spaniens verlängern dürfte. Sozialist Pedro Sánchez, der im Februar von König Felipe mit der Regierungsbildung beauftragt wurde, muss sich im Parlament der Wahl zum Ministerpräsidenten stellen. In der ersten Runde am Mittwochabend erhielt er erwartungsgemäß nicht genügend Stimmen – und wenn nicht noch ein Wunder geschieht, wird er auch die entscheidende Runde der Abstimmung am Freitagabend verlieren. Damit würde das Königreich auch zweieinhalb Monate nach der Parlamentswahl ohne Regierung dastehen. Für das südeuropäische Land, das seine Schulden- und Jobkrise noch nicht verdaut hat, sind das keine guten Nachrichten.

Der Traum von Sánchez, eine „progressive und reformfreudige Regierung“ anzuführen, ist in weite Ferne gerückt. Nur die liberale Partei Ciudadanos (Bürger), die ihre früheren Bedenken gegen Sánchez fallen ließ, unterstützt ihn; alle anderen Parteien lehnten ab. Das reicht nicht für eine Mehrheit. Die Sozialisten haben lediglich 90 der 350 Mandate im Parlament, die bürgerliche Ciudadanos kommt gerade auf 40 Abgeordnete. Damit sind die beiden Parteien, die einen Koalitionspakt geschlossen haben, weit von der absoluten Mehrheit entfernt, die bei 176 Stimmen liegt.

Neuwahl immer wahrscheinlicher

Genau 48 Stunden nach dem ersten Votum am Mittwochabend sollte das Parlament am Freitagabend erneut über Sanchez abstimmen: In diesem zweiten und entscheidenden Wahlgang war nur noch die einfache Mehrheit erforderlich – doch diese schien ebenfalls nicht in Reichweite. Sowohl die Konservativen des bisherigen Premiers, Mariano Rajoy, mit 122 Abgeordneten als auch die linksalternative Protestpartei Podemos (Wir können), die zusammen mit ihren Ablegern 69 Mandate hat, wollten gegen Sánchez stimmen. Von den Regionalparteien aus den eigenwilligen baskischen und katalanischen Regionen, die auf mehr Autonomie drängen, kann Sánchez ebenso wenig Hilfe erwarten.

Mit diesem erwarteten Fehlschlag, eine Regierung des Wandels zu bilden, wird es immer wahrscheinlicher, dass König Felipe Neuwahlen ausrufen muss, die aber nicht vor Ende Juni stattfinden könnten. Im Jänner hatte bereits der Konservative Rajoy vergeblich versucht, eine Mehrheit hinter sich zu scharen. Doch niemand wollte Rajoy, dessen Partei durch eine Serie von Korruptionsskandalen belastet ist, zu weiteren vier Jahren an der Macht verhelfen. Rajoy hatte bei der Wahl im Dezember seine absolute Mehrheit verloren.

Die Empörtenbewegung Podemos hat freilich noch nicht die Hoffnung begraben, dass es nach Sánchez' Bauchlandung einen weiteren Versuch der Regierungsbildung geben könnte. Und zwar, um eine von den Sozialisten angeführte Mitte-links-Koalition zu formen, die Podemos als Juniorpartner an die Macht bringen und von kleineren Links- und Regionalparteien toleriert werden könnte. Podemos-Chef Pablo Iglesias prophezeite schon, dass die einzigen Koalitionsverhandlungen, die eine Mehrheit hervorbringen könnten, in Spanien erst noch bevorstünden.

Auf einen Blick

Pedro Sánchez, Chef der spanischen Sozialisten, ist im Februar mit der Regierungsbildung beauftragt worden. Er hat mit der liberalen Ciudadanos (Bürger) eine Pakt geschlossen, der ihm allerdings keine Mehrheit sichert. Scheitert er wie erwartet, wird eine Neuwahl wahrscheinlicher. Das Land ist seit der Wahl im Dezember ohne Regierung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2016)

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