Malta : Karosseure, Chauffeure und Entrepreneure

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Symbolbild.(c) APA/AFP/STEPHANE DE SAKUTIN
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Mitten im Wasser zwischen zwei Kontinenten prosperieren im Stillen die Malteser – mit Pragmatismus, unkonventionellen Lösungen und kleinen Industrien. Zudem sind sie zutiefst autophil und feiern neuerdings gern veritable Motorsporthochämter.

Denkt man an Malta, fallen einem Sprachreisen ein und Bilder von niedlichen alten, bunten Autobussen. Diese wurden leider in vorauseilendem Gehorsam im Zuge des EU-Beitritts aus dem Verkehr gezogen. Doch der Malteser, durch die exponierte Lage seiner Heimat von Alters her auf unkonventionelle Lösungen trainiert, hat rasch Ersatz für seine autophilen Neigungen gefunden.

Schon die Autobusse waren kreative Notlösung. Mangels eigener Autoindustrie dengelte man einfach für die vom britischen Militär ausrangierten Lastwagenchassis hübsche Karosserien. War das erledigt, wurde der Karosseur zum Chauffeur und Unternehmer. Auch privat ist man ähnlich verfahren – so hat eine hübsche Anzahl der Beispiele britischer Ingenieurskunst hier überlebt. Nach der Emanzipation vom Empire blickten die jungen Kraftfahrer neidvoll zum nördlichen Nachbarn, wenn man so weit im Süden daheim ist, bleibt da nur Italien, und auch da gab's immer schon flotte Wägelchen.

Mittlerweile in Europa und dem 21. Jahrhundert angekommen, hat Malta sich ein beeindruckendes Update verpasst. Dominierten vor ein, zwei Jahrzehnten noch britische Pensionisten und ihre Pubs, brummt heute das Nightlife in typisch südländischem Rhythmus: viel draußen und das bis in tief die Nacht. Die Senioren sind immer noch da, aber die aktuelle Generation ist halt mit Flower-Power aufgewachsen, Babyboomer, die ihre Geschäfte abgeschlossen haben, und das meist sehr vorteilhaft. Sie leisten sich nun schmucke Häuschen, gern auch mit Garage, in der sie im Winter gern ihre Oldtimer parken.

Liebevoll restaurierte Boliden

Die Einheimischen haben ihre Boliden auf Vordermann gebracht, zu den liebevoll restaurierten Souvenirs ehemaliger Kolonialherren sind noch so manche Importschätze gekommen. Die Wirtschaft läuft ganz gut auf Malta, flexibel, wie man zwischen allen Kontinenten sitzend sein muss, hat man sowohl die Libyen-Blockade als auch die Wartezeit auf den EU-Beitritt zu nutzen gewusst. Man hat interessante Transaktionskonstruktionen auf den Markt gebracht, und auch die eine oder andere kleine Industrie hat ihren Exportmarkt gefunden und wirft ordentlich Gewinne ab.

Mdina Glass etwa beliefert Kunden in aller Welt mit funkelnden Glasobjekten. Joseph Said begann 1968 als Glasbläser, arbeitete sich zum Chef der Produktion hoch und übernahm 1986 die Firma. Heute sitzen sein Sohn und die vier Töchter an den entscheidenden Positionen. Und Papa Joe hat Zeit für sein Hobby. Die Glasfabrik erwirtschaftet offensichtlich die dafür nötigen pekuniären Ressourcen: Neben seinen fünf historisch wertvollen Jaguars warten im Familienfuhrpark noch etliche weitere automobile Schätze darauf, ausgefahren zu werden. Und zwar flott, sind schließlich alles Sportwagen – also hat sich der Herr Papa etwas Lustiges einfallen lassen. Gemeinsam mit Freunden wie Alfred Pisani, dem ebenfalls äußerst erfolgreichen Gründer der Corinthian-Luxushotels, rief man die Valetta Grand Prix Foundation ins Leben und veranstaltete 2009 den ersten Valetta Grand Prix.

Das Interesse der motorsportbegeisterten Malteser war von Anfang an groß. Schon nach zwei Jahren sahen sich Said und Pisani gezwungen, Ersatz für den beengten Rundkurs zu suchen. Und fanden ihn prompt vor den Mauern der alten Kapitale: in Mdina, das seine Poleposition als Cittá Notabile hatte aufgeben müssen, als die Kreuzritter den Regierungssitz nach Valetta verlegt und dem Bischof eine Ko-Kathedrale errichtet hatten.

Unter Benzinbrüdern

2011 ist das Rennen von der neuen in die alte Hauptstadt gezogen und heißt nunmehr Mdina Glass Valetta Grand Prix. Joe hat es sich verdient – neben den Pokalen aus seiner Fabrik stellt er auch sonst noch so einiges zur Verfügung. Mdina erwies sich trotz seiner Enge als idealer Veranstaltungsort, vielleicht sogar genau deswegen. Nach einem abendlichen Bergrennen im Norden der Insel als Auftakt des viertägigen Motorsporthochamts steht am Freitag der Concours d'Elegance auf dem Programm.

Hierfür zwängen sich die schönsten Kraftfahrzeuge Maltas durch das Mdina Gate, die einzige Zufahrt in die Stadt, paradieren durch die engen Gassen und stellen sich schließlich auf Pjazza San Pawl und Pjazza tal-Arcisqof den kritischen Blicken von Jury und Schaulustigen. Nachdem die Sieger in diversen Kategorien gekürt sind, gesellen sich jene, die ihren Liebling auch noch den Gefahren der Rennstrecke aussetzen wollen, zu den weniger Schönen in den Parc Fermé im Burggraben. Dieser hat eine ganze Reihe von Vorteilen. Erstens nur zwei Zugänge. Einen zur Zufahrt. Der andere führt direkt auf die Rennstrecke. So kann keines der edlen Geräte unbefugt in Betrieb genommen werden. Zweitens können die Zuschauer von Stadtmauer und Bastionen das Treiben beobachten, auch Teile der Strecke sieht man von hier. Und drittens, aber das wird nur echte Benzinbrüder begeistern, sie aber umso mehr: der Sound! Wenn die alten Rennmotoren, großvolumige amerikanische Achtzylinder, distinguierte britische Reihensechser oder italienische Tenortriebwerke, angeworfen werden, verursacht das beim Fan wohlige Schauer.

Den Teilnehmern schießt nun das Adrenalin in den Körper. Fein säuberlich nach Kategorien sortiert begeben sich die Teilnehmer an den Start hinter der alten Bahnstation auf einer Brücke. Schon nach wenigen hundert Metern wird es ganz eng, eine scharfe Rechtskurve führt auf die Umfahrungsstraße. Fast einen Kilometer könnte man nun Vollgas geben, wären da nicht zwei mit Strohballen gesicherte Schikanen – sicherheitshalber, Gurte und Knautschzonen sind ja unsexy. Zwei Kreisverkehre und eine enge, gewundene Landstraße fordern die Fahrkünste auf dem Weg hinauf zur Stadtmauer. Auch die Passage wieder hinunter zur Ziellinie lässt kaum Überholmanöver zu. Dank der Gruppeneinteilung nach Baujahr, Seriennähe und weiteren, nur Insidern verständlichen Kriterien stauen sich kraftstrotzende Boliden hinter kleinen Fiats, in der letzten der sechs Runden der Wertungsläufe passieren sie aber meist entsprechend der Papierform die Ziellinie.

Bei der abendlichen Siegerehrung im Corinthian Palace geht fast niemand leer aus, eine gute Stunde lang werden die gläsernen Trophäen verteilt. Joseph Said lässt sich die Ehre nicht nehmen, sie jedem Sieger persönlich auszuhändigen. Doch als jene Klasse an der Reihe ist, in der er selbst am Start war, ändert er kurzerhand das Zeremoniell. Er habe, erklärt er den staunenden Zuschauern, festgestellt, dass sein Jaguar den Fahrzeugen seiner Gegner in der Leistung dermaßen überlegen war, dass er der Fairness halber ex post außer Konkurrenz teilgenommen hat. Und holt den überraschten Zweitplatzierten auf das Podest, um ihm den riesigen gläsernen Pokal zu überreichen. Denn das eine oder andere haben sich die Malteser eindeutig von den Briten abgeschaut: Fairness und Sportsmanship!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2016)

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