Der Schweinezyklus des warmen Wassers

Die neue Heiltherme Bad Waltersdorf
Die neue Heiltherme Bad WaltersdorfHeiltherme Bad Waltersdorf
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Der Thermenboom brachte vielen Gemeinden Wohlstand. Manchen jedoch auch hohe Schulden.

In welchem Jahr genau der noch anhaltende Thermenhype begonnen hat, lässt sich nicht so genau festmachen. Natürlich hat die allgemeine Gesundheits- und Wellnesswelle, die in den 1980er-Jahren langsam von den USA nach Europa geschwappt ist, ihr Schäuflein dazu beigetragen. Aber auch konkrete wirtschaftliche Gründe sorgten für die entsprechenden Rahmenbedingungen. Da war zum einen die Energiekrise der 1970er. Nachdem die Staaten des Nahen Ostens ihre Muskeln spielen ließen und dem Westen den Ölhahn abdrehten, machte man sich vielerorts auf die Suche nach eigenen Vorkommen. So auch in Österreich.

Die Folge war, dass die OMV und die einst von Shell gegründete Rohölaufsuchungsgesellschaft (RAG) zu den Vätern vieler bekannter Thermen wurden – etwa im steirischen Bad Waltersdorf, im oberösterreichischen Geinberg oder in Vigaun in Salzburg. Bedeutung für die Entwicklung der heimischen Thermen hatte jedoch auch der Fall des Eisernen Vorhangs und der EU-Beitritt in den 1990er-Jahren. Agrarisch geprägte Gegenden in der Oststeiermark oder dem Burgenland hatten plötzlich bis dahin ungekannte Konkurrenz und mussten sich sozusagen neu erfinden. Da kamen die warmen Quellen und der gut zu vermarktende sanfte Thermentourismus gerade recht.

Kurz vor der Jahrtausendwende setzte dann ein richtiggehender Thermenwildwuchs ein. Die bereits etablierten Anlagen in Loipersdorf oder Lutzmannsburg wurden stetig weiter ausgebaut, während jedes Jahr weitere Häuser eröffnet wurden. Welche Bedeutung dieser Boom für die regionale Tourismuswirtschaft haben kann, lässt sich gut an den Nächtigungszahlen des Burgenlandes im Vergleich mit dem ähnlich großen Vorarlberg ablesen. Während das dank Wintertourismus seit jeher starke Vorarlberg seine Nächtigungen zwischen 1995 und 2014 geringfügig von acht auf 8,4 Millionen erhöhte, konnte Österreichs östlichstes Bundesland – wenn auch von niedrigerem Niveau – dank des Thermenbooms die Zahl der Übernachtungen von zwei auf drei Millionen erhöhen.

Andere zogen mit. Denn vielfach blieb es ja nicht nur bei einer einzelnen Therme, sondern im Umfeld der Anlage siedelten sich weitere Hotels und Pensionen an. So gibt es laut einer Studie des Wirtschaftsministeriums aus dem Jahr 2011 hierzulande nicht nur 39 Thermen, sondern auch etwa 100 Thermenhotels. Diese verfügen meist nicht nur über eine im Branchenvergleich überdurchschnittliche Bettenanzahl, sondern sind auch zu 97 Prozent der lukrativen Vier- und Fünfsternekategorie zuzuordnen. In Summe entsprechen die rund 14.000 Betten in den Thermenhotels zwar nur etwa drei Prozent aller heimischen Tourismusbetten – in einzelnen Regionen können sie jedoch große wirtschaftliche Bedeutung entfalten.

Dort, wo eine Therme und die angeschlossene Tourismuswirtschaft funktionierte, konnten sich einst strukturschwache Gemeinden also über neue Jobs und zusätzliche Steuereinnahmen freuen. Kein Wunder, dass die Versuchung vielerorts groß war, sich einen thermalen „Goldesel“ hinzubauen. Dies führte jedoch unweigerlich zu einer zunehmenden Übersättigung des Marktes, da die Nachfrage wie im aus der Volkswirtschaftslehre bekannten Schweinezyklus nicht mit der Zunahme des Angebots mithalten konnte.


Schuldentherme. Ein Beispiel, wie ein solches Projekt auch nach hinten losgehen kann, ist die Therme im obersteirischen Fohnsdorf. Nach gut zehnjähriger Verzögerung wurde die Anlage 2006 von der Gemeinde mit kräftiger Förderung des Landes Steiermark gebaut. Doch statt der ursprünglich geplanten 311.000 besuchten nur 130.000 Tagesgäste die Therme. Die Folge: Die Gemeinde wurde 2011 insolvent und vom Land unter Kuratel gestellt – ein Regierungskommissär übernahm die Geschäfte. Im selben Jahr kam auch der Rechnungshof zu dem Schluss, dass der Bau des 22-Millionen-Euro-Projekts in Fohnsdorf schlicht falsch gewesen ist. Der SPÖ-Bürgermeister habe aber nicht nur falsche Entscheidungen getroffen, sondern auch seine Befugnisse überschritten. Ein Prozess wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauchs im September 2015 wurde aufgrund mangelnder Verhandlungsfähigkeit verschoben.

Wirtschaftliche Probleme gab es zuletzt aber auch bei der Therme Grimming in Bad Mitterndorf im Ennstal. Die Anlage musste erst im Oktober des Vorjahres Insolvenz anmelden und wurde Mitte dieser Woche von einem holländischen Investmentfonds übernommen. Und in Villach musste die Stadt im Sommer 2015 die Pacht für die Therme um rund ein Drittel auf 575.000 Euro senken, weil der Betreiber sonst wirtschaftlich nicht hätte überleben können.

Zahlen

100Thermenhotels gibt es in Österreich. Sie sind im Umfeld einer der 39 heimischen Thermen angesiedelt.

97Prozent der Betten in diesen Hotels sind der lukrativen Vier- oder Fünfsternekategorie zuzuordnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2016)

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