Aus für Noten: Mahrer attackiert Ministerin

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THEMENBILD: SCHULSCHLUSS/ZEUGNIS(c) APA (Harald Schneider)
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Der Staatssekretär unterstellt Heinisch-Hosek "Leseschwierigkeiten". Auch die Lehrer sprechen von einer "Schnapsidee".

Die Vorschläge aus dem Bildungsministerium, wonach künftig an Volksschulen bis zur dritten Klasse standardmäßig nur verbale Beurteilungen gegeben werden sollen und ein Durchfallen nur in Ausnahmefällen möglich wäre, stoßen bei ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer auf Kritik. Die Entwürfe entsprächen nicht der Einigung zur Bildungsreform vom Herbst, sagte er im ORF-Radio.

Die Entscheidung darüber, ob an einer Schule Ziffernnoten oder verbale Beurteilungen in den Zeugnissen stehen, müsse am Standort autonom getroffen werden. Das stehe auch so in der Vereinbarung zu den Eckpunkten der Bildungsreform, die am 17. November präsentiert wurden, so Mahrer. "Ich stelle mir die Frage, wo die Leseschwierigkeiten in Österreich wirklich vorhanden sind", so der Staatssekretär in Richtung Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ).

Mit der in dem Ministeriums-Vorschlag enthaltenen De-facto-Abschaffung des Sitzenbleibens in der Volksschule bis zur dritten Klasse ist Mahrer auch nicht glücklich: Er sei der Meinung, dass es im System "eine vernünftige Leistungskomponente braucht. Das generelle Abschaffen ist meiner Meinung nach kein Thema."

Ministerium: Opt-out ist denkbar

Aus dem Bildungsministerium heißt es jetzt: Denkbar sei ein Opt-out, wenn Eltern und Lehrer einer Klasse sich gegen alternative Beurteilungen entscheiden. Darüber werde verhandelt. „Grundsätzlich handelt es sich um einen Entwurf einer Novelle“, sagt Ministerin Heinisch-Hosek. Dieser befinde sich in einem politische Abstimmungsprozess. „Interessant finde ich, dass bevor ich noch mit dem Staatssekretär Mahrer über den Entwurf sprechen konnte, die ÖVP schon dagegen ist.“

Man beschreibe in dem Entwurf das als Regel, was 2000 Schulstandorte bereits machen würden. Das seien knapp 70 Prozent aller Volksschulen. Das spreche eine deutliche Sprache. „Wir wollen insgesamt weniger Bürokratie, gleichzeitig haben aber Eltern weiterhin die Möglichkeit, Noten zu verlangen“, so die Ministerin in einer Stellungnahme.

Noten-Aus für Lehrer "Schnapsidee"

Unterschiedlich bewerten Lehrer- und Elternvertreter die Pläne von Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) zur grundsätzlichen Abschaffung von Ziffernnoten und Sitzenbleiben in den ersten drei Volksschulklassen. Die Lehrergewerkschaft fürchtet um die "Leistungsorientierung" an den Schulen, Elternvertreter halten das Gesamtpaket der Ministerin dagegen für einen "gangbaren Weg".

Der Vorsitzende der Pflichtschullehrergewerkschaft, Paul Kimberger, hielt von den Ministeriumsplänen "eigentlich nicht besonders viel". "Wenn die Abschaffung der Noten damit begründet wird, dass niemand mehr durchfallen kann in der Volksschule, dann ist das eine absolute Themenverfehlung, weil Durchfallen in der Volksschule ohnehin nicht relevant ist - das sind absolute Einzelfälle."

"Auf Noten nicht verzichten"

Die Möglichkeit zur verbalen Beurteilung gebe es bereits lange. Er selbst sei kein Freund davon: "Ich bin einer, der meint, dass man auf die Ziffernnote nicht verzichten soll". Die Entscheidung, ob Ziffernnote oder nicht, sollte laut Kimberger an den Schulstandorten von Lehrern und Eltern getroffen werden. Außerdem werde man bei verbalen Beurteilungen "auch eine Standardisierung brauchen, weil sonst geht uns die Vergleichbarkeit verloren"

Den Plan, "drei Jahre im Prinzip nicht zu beurteilen" hält Kimberger für eine "absolute Schnapsidee". Damit steige der Druck auf Schüler und Lehrer in der vierten Klasse noch weiter. Außerdem verlangt der Lehrervertreter mehr Personal in Volksschulen, da die Entwicklungsunterschiede der Kinder in dieser Altersgruppe enorm sei. Es brauche zudem mehr Früh-Fördermaßnahmen auch schon im Kindergarten.

"Intensivere Auseinandersetzung"

Der Vorsitzende des Dachverbands der Pflichtschul-Elternvereine, Christian Morawek, hält eine flächendeckende verbale Beurteilung dagegen für eine "gute Idee". Eine solche erfordere "eine viel intensivere Auseinandersetzung mit dem einzelnen Schüler und den Eltern". Dass sich Eltern gerne an Noten orientieren, weil sie das selbst aus der Schule noch kennen, sei logisch. "Ich glaube aber, dass das im Sinne der Pädagogik überholt ist".

Das Thema Durchfallen in der Volksschule wird für Morawek "hochstilisiert", da es ohnehin kaum passiere. In Einzelfällen - etwa wenn ein Kind erkrankt und deshalb viel verpasst - könnte eine Wiederholung durchaus Sinn machen. Man müsse nämlich vermeiden, das sich ein Kind durch den automatischen Aufstieg überfordert fühlt. Es brauche dafür "individuelle Lösungen", sagte Morawek.

(APA)

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