Trotz Kandidatur ist Griss VfGH-Ersatzmitglied. Bei einer Wahlanfechtung dürfte sie nicht mitentscheiden.
Wien. Einst war sie Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, inzwischen fungiert Irmgard Griss als Ersatzmitglied am Verfassungsgerichtshof (VfGH). Und das will sie trotz ihrer Kandidatur für das Bundespräsidentenamt bleiben. „Es gibt keinerlei Berührungspunkte“, betont Griss auf Anfrage der „Presse“. Sollte der VfGH freilich über eine etwaige Anfechtung der Hofburgwahl entscheiden müssen, „wäre ich selbstverständlich nicht dabei“, sagt Griss.
§ 12 des Verfassungsgerichtshofgesetzes sieht vor, dass Mitglieder und Ersatzmitglieder des VfGH von der Ausübung ihres Amts ausgeschlossen sind, wenn „wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, in ihre volle Unbefangenheit Zweifel zu setzen“. Das wäre bei einer Wahlanfechtung der Fall. Ob ein Ausschließungsgrund vorliegt, entscheidet der Verfassungsgerichtshof selbst.
Ersatzrichter kommen dann zum Einsatz, wenn eines der 14Mitglieder des VfGH ausfällt. Der VfGH-Präsident kann entscheiden, wen er nachnominiert. Weder für die Dezember-Session noch für die momentan laufende März-Session wurde Griss am VfGH eingesetzt. Auch am Höchstgericht selbst sieht man kein Problem darin, dass die Steirerin das Amt behalten möchte. „Die Kandidatur von Irmgard Griss berührt den VfGH nicht. Derzeit kommen ohnehin kaum Ersatzmitglieder zum Einsatz“, erklärte ein VfGH-Sprecher.
Auch finanziell werfe Griss' Verbleib in dem Amt während des Wahlkampfs kein Problem auf. „Ersatzmitglieder erhalten keine laufenden Zahlungen, sondern werden nur pro Einsatz bezahlt“, wird vom VfGH betont. Zurücklegen wird Griss ihr Amt als Ersatzmitglied freilich mit diesem Jahr müssen, und zwar selbst dann, wenn sie nicht Bundespräsidentin werden sollte. Griss feiert im Herbst den 70. Geburtstag, dies ist die Altersgrenze für VfGH-Richter.
Im Wahlkampf selbst startet die unabhängige Präsidentschaftskandidatin kommende Woche ihre erste Bundesländertour. Zudem kündigte Griss an, dass sie ein Hearing für Minister im Parlament vor deren Ernennung planen würde.
Angelobung erst nach Hearing
Abgeordnete sollen dabei Fragen stellen dürfen. Ob ein Minister angelobt wird, müsse aber „weiterhin allein die Entscheidung des Bundespräsidenten sein“, erklärte Griss auf Nachfrage. Der Bundespräsident solle sich jedoch nach dem Hearing und vor seiner Entscheidung mit den Klubobleuten beraten. Komme das Staatsoberhaupt zum Schluss, dass ein Nominierter nicht geeignet sei, werde dieser auch nicht angelobt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2016)