Enthüllte IS-Dokumente "Goldgrube" für Anti-Terror-Ermittler

Symbolbild: Flagge des Islamischen Staates
Symbolbild: Flagge des Islamischen Staates (c) Reuters
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Dem Sender Sky News liegen Daten von mehr als 22.000 Mitgliedern der Terrormiliz vor. Das Innenministerium hält sich bedeckt, ob auch Österreicher darunter sind.

Die Daten könnten eine "Goldgrube" für die Strafverfolgung von möglichen Terroristen sein. Das sagte ein früherer Mitarbeiter des britischen Geheimdienstes, Richard Barett, Sky News. Dem britischen Nachrichtensender sollen Namen und persönliche Daten von mehr als 22.000 Kämpfern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vor. Die IS-Rekruten aus mehr als 51 Ländern hätten vor ihrer Aufnahme einen Bogen mit 23 Fragen zu Telefonnummer, Adresse, Angehörigen, Blutgruppe, Ausbildung und anderen Daten ausfüllen müssen, berichtete Sky News.

Es seien womöglich die bisher wichtigsten Daten über den IS, sagte Afzal Ashraf, Terrorismusexperte beim Forschungsinstitut Rusi, dem Sender. Damit könnten Ermittler nicht nur herausfinden, wer die Leute sind und woher sie kommen. Die Informationen könnten auch Spuren zu Rekrutierern und IS-Schleusern liefern. Daraus, dass ein Mann die Daten gestohlen und den Medien weitergereicht habe, könne man aber nicht unbedingt Rückschlüsse auf die Stimmung und Moral innerhalb der Organisation ziehen.

Nicht alle Namen seien den Sicherheitsbehörden bisher bekannt. Dem "Guardian" zufolge dürfte es sich um die selben Daten handeln, die auch dem deutschen Bundeskriminalamt in Wiesbaden vorliegen. Wie am Montag die "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR berichtet hatten, seien diese offenbar Teil eines größeren Datenlecks beim IS. Das Material soll nun bei der Strafverfolgung helfen. Deutschlands Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sieht darin eine große Chance für die Ermittlungen. Nach Auffassung der deutschen Sicherheitsdienste seien die Dokumente authentisch, sagte De Maiziere am Donnerstag in Brüssel.

Unterlagen von enttäuschtem IS-Mitglied

Großbritanniens Innenministerin Theresa May kommentierte den Sky-News-Bericht am Donnerstag nicht direkt. Sie habe die Berichte natürlich gesehen, sagte sie in Brüssel, wo sich die EU-Innenminister trafen. Der IS sei eine "ernste Bedrohung" und es sei wichtig, gemeinsam gegen diese Bedrohung vorzugehen.

Der Sprecher des Innenministeriums, Karl-Heinz Grundböck, wollte auf Anfrage der "Presse" aus ermittlungstechnischen Gründen keinen Kommentar dazu abgeben, ob sich auch die Namen von Österreichern auf der Jihadisten-Liste finden. Man stehe in dieser Sache aber auf europäischer Ebene in Kontakt mit anderen Behörden.

Sky News hat die Daten nach eigenen Angaben von einem ehemaligen IS-Mitglied erhalten. Er habe sie dem Chef des internen Sicherheitsapparats des IS gestohlen. Der Mann nenne sich Abu Hamed und sei von den Rebellen der Freien Syrischen Armee zum IS übergelaufen. Er habe der Terrormiliz kürzlich enttäuscht den Rücken gekehrt. Die Organisation halte sich nicht an die islamischen Regeln, an die er glaube.

Experten warnen vor Fälschungen

Ein Datensatz liste "Märtyrer" auf, die sich zu Selbstmordanschlägen bereit erklärt hätten und dafür trainiert worden seien, hieß es bei Sky News. Unter den Männern seien viele, die gleich mehrfach unbehelligt durch "Risikoländer" wie den Jemen, Libyen, Pakistan und Afghanistan gereist seien. Da sie aber nicht kontrolliert und überwacht wurden, konnten sie im syrischen Bürgerkrieg kämpfen und danach wieder in ihre Heimatländer zurückkehren. Genau solche kampferprobten und radikalisierten Rückkehrer fürchten auch die Sicherheitsbehörden in Deutschland und anderen westlichen Ländern.

Experten zweifeln allerdings an der Echtheit der Papiere. Bei ihm läuteten "große Alarmglocken", sagte Charlie Winter von der Georgia State University. So wird etwa der arabische frühere Name des IS, Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS), in zwei verschiedenen Varianten geschrieben. Außerdem benutzen die Verfasser das Wort "Todesdatum", obwohl die gängige Bezeichnung unter Jihadisten "Märtyrertum" ist. Nicht zuletzt seien die Grammatikfehler nicht typisch für IS-Dokumente, sagte Winter.

Der unabhängige Jihadismus-Experte Romain Caillet erklärte zudem, dass in einigen Dokumenten ein bisher nicht benutztes IS-Logo auftauche. Das syrische oppositionelle Nachrichtenportal "Zaman al-Wasl" berichtete zudem von tausenden Wiederholungen in den Dokumenten, sodass letztlich nur die Namen von 1700 statt 22.000 Menschen identifiziert werden könnten.

Dalia Ghanem-Jasbeck vom Carnegie Zentrum in Beirut gab zu bedenken, dass die Dokumente von Ende 2013 stammen - und damit aus einer Zeit, in der der IS noch am "Anfang des Aufbaus seiner staatsähnlichen Strukturen" gestanden habe. Die Fehler könnten also auf die damals erst aufkeimende Bürokratie zurückzuführen sein, erklärte sie. Trotzdem sei dem IS offenbar die Rekrutierung zahlreicher Kämpfer gelungen.

>>> Zum Bericht auf Sky News.

>>> Zum Bericht im Guardian.

>>> Zum Bericht von AFP.

(APA/dpa/AFP/red.)

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